Maskerade der Liebe
Willow Crossing sein würde, wollte Jordan versuchen, hier die Wahrheit herauszufinden. Ganz gleich, wie heftig sie sich dagegen wehren mochte -er würde Emily nicht erlauben, weiterhin allein das Ganze durchzustehen.
12. KAPITEL
Die Oper zu besuchen ist eine ebensolche Sünde, wie
sich zu betrinken - sie trägt ihre eigene Strafe in sich.
Hannah More, englische Schriftstellerin, Reformerin,
Philanthropin, Die Briefe der Hannah More
Emily war noch nie in der Oper gewesen. Willow Crossing besaß nur ein uraltes Orchester, das bei Zusammenkünften spielte, und eine Gruppe reisender Schausteller, die manchmal Shakespeare aufführten - aber sicher keine Opern.
Die Hochzeit des Figaro von Mozart war ihr gänzlich unbekannt. Zum Glück wurde die Oper auf Englisch und nicht, wie im Original, auf Italienisch gesungen, so dass sie der Handlung leicht folgen konnte. Ihr gefiel sie ausgezeichnet, ebenso wie die Musik, die sie als Mädchen vom Lande zutiefst ergriff. Die Stimmen klangen so klar, so rein!
Ihre Freude wurde noch durch die Tatsache verstärkt, dass Lord St. Clair anscheinend keine dunklen Geheimnisse am selben Nachmittag erfahren hatte. Als er hereinkam, sich wie immer benahm und nicht einmal Jordan mitbrachte, fiel alle Anspannung von ihr ab.
Vielleicht würde doch alles gut ausgehen. Womöglich gab sich Jordan damit zufrieden, ihre Identität herausgefunden zu haben. Zum ersten Mal seit dem Ball bei Merrington fühlte sie sich erleichtert und konnte den Abend genießen.
Die Figur namens Cherubino - ein Jüngling, der von einer Frau gespielt wurde - begann mit einer Arie. Emily lehnte sich, so weit sie konnte, nach vorn. Wie vermochten solch volle Töne von einer so zierlichen Frau zu stammen?
Emilys musikalisches Talent war recht durchschnittlich, doch sie liebte es, der Musik zu lauschen. Am Ende des zweiten Akts hatte sie so viel gelächelt, dass ihr beinahe das Gesicht schmerzte.
Der Kronleuchter mit den Hunderten von Kerzen wurde in der Pause ein wenig gesenkt. Lady Dundee erhob sich. „Lady Merrington ist heute Abend anwesend. Ich werde kurz mit ihr sprechen.“
„Ich begleite Sie“, sagte Lord St. Clair und stand ebenfalls auf. „Diese Stühle sind nicht für Männer mit langen Beinen gemacht.“ Er hielt Emily seinen Arm hin. „Kommen Sie, Lady Emma?“
Die sanften Klänge einer Violine stiegen zu ihrer Loge empor, und sie seufzte verträumt. „Würde es Ihnen sehr viel ausmachen, wenn ich hier bliebe und der Musik lauschte?“ Lord St. Clair lachte. „Das ist nur die Pause.“
„Ich weiß, aber es ist wunderschön. Finden Sie nicht?“ Lady Dundee warf ihr einen liebevollen Blick zu. „Das ist es. Kommen Sie, St. Clair. Lassen wir sie allein.“
Emily lächelte dankbar und wandte sich dann wieder der Bühne zu, wo zwei Musiker ein Duett für Violine und Harfe spielten. Sie liebte die Harfe. Der Lehrer in Willow Crossing besaß eine, doch sie klang nicht so rein wie diese. Es hatte seine Vorteile, in der Stadt zu leben. Musik wie diese würde ihr fehlen, wenn sie wieder zu Hause war.
Undeutlich hörte sie, wie hinter ihr die Tür geöffnet wurde. Sie nahm an, dass Lady Dundee zurückgekommen war, weil sie etwas vergessen hatte. Doch im nächsten Moment sagte eine heisere Stimme: „Guten Abend, Emily.“
Sie erstarrte. Jordan. Er war hier.
Ihr Herz begann heftig zu schlagen. Dieses törichte Herz. Wie konnte sie nur in einen solchen Mann verliebt sein!
Sie hörte, wie er zu ihr trat. Er warf die Schwalbenschwänze seines Fracks beiseite und setzte sich auf den Stuhl neben ihr. Steif saß sie da und wagte nicht, ihn nach den vertrauten Augenblicken, die sie am selben Nachmittag miteinander geteilt hatten, anzusehen. Sie wischte sich ihre feuchten Hände am Rock ab und wünschte sich inständig, dass er nicht gekommen wäre.
Als er nichts sagte, konnte sie jedoch nicht widerstehen, ihn anzuschauen. Wie immer war sein Frack tadellos und seine Binde perfekt. Warum konnte er keine schlecht sitzenden Jacken tragen oder etwas Abstoßendes an sich ha-ben? Nein, er musste in jeder Hinsicht vollkommen sein. Der glänzende, gut aussehende Earl, der so wundervoll leidenschaftlich küssen konnte und ihr Schicksal in den Händen hielt.
Jordan blickte ihr in die Augen, und sie schaute verlegen sogleich woanders hin.
Er räusperte sich. „Sie sehen heute Abend entzückend aus. Obgleich ich bemerken muss, dass Ihr Kleid ein bisschen gewagt wirkt. Denken Sie nicht auch?“
Was meinte er
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