Maskerade der Liebe
Er brachte es nicht fertig, sie zu entlarven, vor allem nachdem sie ihn so inständig gebeten hatte. Sie hatte so verzweifelt, so völlig verängstigt ausgesehen. Sein Vermögen hätte er darauf verwetten können, dass sie gegen ihren Willen in dieses Spiel hineingezogen worden war.
Doch weshalb? Was konnten Lord Nesfield und Lady Dundee dadurch gewinnen? Wie hatten sie Emily überredet mitzumachen? Jene Emily Fairchild, die er in Derbyshire kennen gelernt hatte, war völlig ehrlich gewesen. Sie war die natürlichste, ungekünsteltste, echteste Frau gewesen, der er jemals begegnet war.
Diese Maskerade passte überhaupt nicht zu ihr. Sie musste einen zwingenden Grund haben, sich darauf einzulassen, so leicht würde sie sich sicher nicht dem Willen anderer beugen.
Außer beim Liebesspiel. Mit einem Mal überkam ihn wieder ein heftiges Schuldgefühl. Er sah ihr Gesicht vor sich, als er so abfällig über ihre Tugend gesprochen hatte. Tief verletzt hatte sie ihn angeschaut. Sie war so unschuldig, dass sie nicht einmal gewusst hatte, ob sie entjungfert worden war.
In dieser Hinsicht war er ein Tor gewesen. Jeder Narr hätte erkannt, dass Lady Emmas Koketterie ein verzweifelter Versuch war, ihr wahres Wesen zu verbergen. Die Wahrheit über sie hatte so offen auf der Hand gelegen - ihr Aussehen und ihre Bemühungen, ihm von Anfang an aus dem Weg zu gehen.
Sie hatte in diesem Museumsraum sogar Jordan zu ihm gesagt. Lady Emma hatte er nie darum gebeten, ihn beim Vornamen zu nennen, aber von Emily hatte er es ausdrücklich gewünscht. Doch obgleich es ihm aufgefallen war, hatte er es außer Acht gelassen.
Warum? Weil er glauben wollte, dass sie Lady Emma war. Emily Fairchild war unerreichbar für ihn, doch mit Lady Emma hatte er ein leichtes Spiel. Er hatte Emily so sehr begehrt, dass er gern angenommen hatte, sie könnte jemand anders sein, so dass sie erreichbar für ihn wurde.
Beinahe hatte er sie entjungfert. Fast hätte er ihren Ruf zerstört, nur weil er sich die Wahrheit nicht hatte eingestehen wollen.
Eine Kutsche rumpelte neben ihm, doch er schenkte ihr erst seine Aufmerksamkeit, als sie anhielt und eine Stimme sagte: „Ich dachte mir schon, dass ich dich auf einer der abgelegenen Straßen finden würde. Steig ein, Jordan.“
Er entdeckte Ian, der den Verschlag offen hielt. „Geh weg! Ich bin heute nicht in der Laune, mir eine Standpauke anzuhören.“
Als er weiterging, sprang Ian heraus und packte ihn am Arm. „Es ist mir ganz gleich, in welcher Stimmung du bist. Steig in die Kutsche, oder ich werfe dich eigenhändig hinein!“
„Was fällt dir ein?“ Jordan drehte sich zu ihm herum und ballte die Hände zu Fäusten. Es verlangte ihm nach einem Kampf, und es war ihm im Augenblick ganz gleich, mit wem er kämpfen würde.
Ians entschlossene Miene veränderte sich, als er Jordans
herausfordernde Haltung sah. „Sei nicht töricht! Wir sollten das nicht in der Öffentlichkeit austragen, sondern unter uns.“
Der Wunsch, jemand oder etwas zu schlagen, ergriff Jordan mit aller Macht. Doch Ian hatte Recht. Eine hier draußen ausgetragene Auseinandersetzung würde in den Zeitungen erscheinen, und man würde sich fragen, wieso sich die Freunde nach ihrem Ausflug mit Lady Emma schlugen. Er wollte keine unnötige Aufmerksamkeit auf Emily ziehen.
Wortlos senkte er die Fäuste, stieg in die Kutsche und warf sich in eine Ecke.
Ian stieg ebenfalls ein, befahl Watkins, zu seinem Haus zu fahren, und wandte sich daraufhin Jordan zu. „Was ist zwischen dir und Lady Emma vorgefallen?“
„Das geht dich überhaupt nichts an“, knurrte Blackmore.
„Schließlich habe ich sie eingeladen. Ich bin dafür verantwortlich, wenn etwas geschieht. ..
„Es ist nichts geschehen. “
„Soll das heißen, dass ihre Haube rein zufällig verrutscht ist und auch der Marmorstaub von selbst auf ihren Rock gefallen ist?“ Als Jordan ihn verblüfft ansah, meinte er: „O ja, natürlich habe ich das bemerkt. Das und auch andere Dinge. Wie ihren fehlenden Schal. Es ist ein Wunder, dass es Lady Dundee nicht aufgefallen ist. Wenn du diese junge Frau in eine kompromittierende Lage gebracht hast, schwöre ich dir . . .“
„Ich habe sie nicht kompromittiert!“ In Wirklichkeit hatte er es beinahe doch getan. Er hatte es sogar gewollt. Jordans Magen krampfte sich noch mehr zusammen. War es allen so klar gewesen? „Warum kümmerst du dich überhaupt um Lady Emma?“ fragte er gereizt. „Ich dachte, du wärst an Lady Sophie
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