Mass Effect 02 - Der Aufstieg
und ließ das Thema auf sich beruhen. Ein paar Minuten lang standen sie schweigend nebeneinander und schauten nur aus dem Fenster. Hendel unterbrach die Stille mit einem vermeintlich harmlosen Kommentar.
„Wie man hört, bemüht sich dein alter Freund um einen Sitz im Rat“, bemerkte er.
„Alter Freund?“, fragte Jiro neugierig.
„Captain David Anderson“, erklärte der Sicherheitschef und übersah Kahlees Spiegelbild im Fenster, das ihn finster anstarrte. „Die beiden haben zusammen in der Allianz gedient.“
„Wie kommt es, dass du mir nie von ihm erzählt hast?“, fragte Jiro und wandte sich ihr zu.
„Das war schon vor langer Zeit“, antwortete sie und versuchte, gelangweilt zu klingen. „Wir haben seit Jahren nicht mehr miteinander geredet.“
Eine unangenehme Stille entstand, und Kahlee konnte die Fragen nur raten, die Jiro durch den Kopf gingen. Er war ein selbstsicherer junger Mann, aber es musste ihn verunsichern, dass seine Freundin eine vorhergehende Beziehung zu einem der bekanntesten Helden der Menschheit hatte. Als er wieder sprach, war sie völlig überrascht.
„Mir wäre Botschafter Udina lieber im Rat.“
„Es ist spannend zu sehen, wer das Rennen macht“, antwortete Hendel, obwohl er erstaunt eine Augenbraue hob.
Das weitere Gespräch wurde durch das schrille Pfeifen aus dem Interkom über ihren Köpfen unterbrochen, das das eintreffende Schiff ankündigte. Durch das Fenster konnte man draußen am Rande der Landebucht rote Lichter blinken sehen. Ein paar Sekunden später kam Graysons Schiff in Sicht, ein kleines, hochtechnisiertes Firmenshuttle.
Das Shuttle manövrierte in Position und bewegte sich lautlos durch den luftleeren Raum. Es landete in einem der Hangars, und Kahlee spürte eine leichte Erschütterung, als die großen, automatischen Andockklammern das Schiff fixierten. Eine vollständig versiegelte Plattform fuhr von der Station aus und verband sich luftdicht mit den Shuttletüren. Sauerstoff erfüllte den Tunnel und ermöglichte es den Passagieren, direkt die Station zu betreten, ohne extra einen Raumanzug anziehen zu müssen.
„Los, gehen wir runter und begrüßen wir unseren Gast“, murmelte Hendel. Dabei gab er sich keine Mühe, seine Abneigung zu verbergen.
Passagiere, die ihr Schiff verließen, kamen den Tunnel hinunter in den Warteraum, der mit durchsichtigen, kugelsicheren Wänden gesichert war. Mehrere hüfthohe Begrenzungsstangen waren mit einem schweren roten Seil verbunden und schufen so einen Bereich, in dem sich Besucher in die Schlange einreihen konnten, wenn denn mehrere Personen auf einmal ankamen. Am Ende der Reihe war eine gelbe Linie auf den Boden gemalt. Dahinter standen zwei Wachtposten, beide bewaffnet. Das war eine Erinnerung für jeden, dass die Grissom-Akademie eine zivil-militärische Einrichtung war.
Hinter den Wachmännern führte eine einzige Tür vom Warteraum in den Empfangsbereich, wo ein weiterer Allianzsoldat an einem Computer saß und alle Ankünfte und Abreisen registrierte. Die Tür blieb geschlossen, bis der Soldat am Empfangsschalter sicher war, dass die Besucher im Warteraum autorisiert waren, die Station zu betreten.
Grayson befand sich bereits im Warteraum, als sie die Rezeption erreichten. Er ging ungeduldig hinter der gelben Linie auf und ab. Die Wachtposten hinter ihm warteten in Habachthaltung und schienen seine Eile nicht zu spüren.
Die junge Frau hinter dem Empfangsschalter schaute auf, als Hendel eintraf. Sie strahlte den Sicherheitschef des Ascension-Projekts förmlich an.
Du verschwendest deine Zeit, Schwester, dachte Kahlee.
„Ein Besucher, wie angekündigt“, sagte sie. Ihre Stimme klang ein wenig zu fröhlich, um völlig professionell zu sein. „Warte auf die Freigabe.“
„Lassen Sie ihn durch“, sagte Hendel seufzend.
Sie lächelte und drückte einige Knöpfe auf der Tastatur. Ein kleines grünes Licht über der Glastür leuchtete auf, und mit einem deutlichen Klickgeräusch öffnete sich das Schloss.
„Gehen Sie weiter, Mr. Grayson“, hörte Kahlee einen der Wachtposten im Warteraum sagen. Aber Grayson war praktisch sowieso schon durch die Tür.
Er sieht fürchterlich aus, dachte Kahlee.
Grayson trug einen einfachen Geschäftsanzug und einen teuer aussehenden Aktenkoffer. Seine Kleidung war sauber und frisch gebügelt. Und es war offensichtlich, dass er frisch rasiert war. Trotzdem wirkte er nicht gesund, fast schon verzweifelt. Grayson war immer dünn gewesen, aber jetzt glich er mehr
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