Mass Effect 02 - Der Aufstieg
Kahlee zu den Getränkeautomaten ging. Sie zog ihre Angestelltenkarte durch den Schlitz und bestellte zwei Tassen Kaffee, beide schwarz. Dann ging sie zum Tisch und bot Hendel eine an.
„Der Bastard sieht schlimmer denn je aus“, sagte der Sicherheitschef und nahm ihr die Tasse aus der Hand. „Er könnte gerade jetzt high sein.“
„Du bist zu hart zu ihm“, sagte sie seufzend und setzte sich ihm gegenüber. „Er ist nicht der erste Vater eines biotischen Kindes, der mit rotem Sand experimentiert. Das ist ein Weg für uns normale Menschen zu verstehen, was es bedeutet, biotisch zu sein.“
„Nein“, sagte er scharf. „High werden und mal ein paar Stunden durch reine Geisteskraft Büroklammern herumfliegen zu lassen, hat nichts mit biotischer Veranlagung zu tun.“
„Aber näher kommt jemand wie Grayson nicht daran heran. Versetz dich mal in seine Lage. Er will bloß Kontakt zu seiner Tochter.“
„Dann sollte er vielleicht öfter als zweimal im Jahr vorbeisehen.“
„Seine Frau ist bei der Geburt gestorben. Seine Tochter leidet unter einer mentalen Störung, wodurch sie sich emotional zurückzieht. Und dann entdeckt sie diese unglaubliche Fähigkeit, und er muss sie auf eine Privatschule schicken. Er ist vielleicht auf einer emotionalen Achterbahnfahrt, und zwar jedes Mal, wenn er sie sieht: Liebe, Schuld, Einsamkeit. Er weiß, dass er das Beste für sie tut, aber das bedeutet nicht, dass es ihm leicht fällt.“
„Ich habe ein schlechtes Gefühl. Und ich habe gelernt, meinem Bauchgefühl zu trauen.“
Statt zu antworten, nahm Kahlee einen großen Schluck aus ihrer Tasse. Der Kaffee war stark und heiß, aber er hatte einen leicht bitteren Nachgeschmack.
„Wir müssen das Direktorium um besseren Kaffee bitten“, murmelte sie und hoffte, damit das Thema zu wechseln.
„Wie lange seid ihr beiden, du und Jiro, schon zusammen?“, fragte Hendel.
„Wie lange weißt du davon?“
„Ein paar Monate.“
„Dann hast du zwei Monate gebraucht, um es herauszufinden.“
„Sei vorsichtig mit dem Jungen, Kahlee.“
Sie lachte. „Ich werde darauf achten, dass ich ihn nicht fertigmache.“
„Das habe ich nicht gemeint“, sagte er, seine Stimme klang ernst. „Er hat so etwas an sich … ich traue ihm nicht. Er ist zu glatt. Zu schmierig.“
„Wieder dein Bauch?“, fragte sie und hielt die Tasse hoch genug, dass er ihr Grinsen nicht sah. Offensichtlich kümmerte Hendel sich nicht nur um seine Schüler.
„Du hast doch gesehen, wie er reagiert hat, als ich deine Vergangenheit mit Anderson erwähnt habe.“
„Vielen Dank dafür auch noch mal“, sagte sie und hob die Augenbrauen.
„Es schien ihn nicht zu erschüttern“, fuhr Hendel fort und überging ihren verbalen Hieb. „Als ob er es schon gewusst hätte.“
„Was, wenn das tatsächlich so war?“
„Nun, es war ja offensichtlich, dass du es ihm nicht erzählt hast. Wie hat er es also herausgefunden? Die Aufzeichnungen dieser Mission sind unter Verschluss. Verdammt, selbst ich weiß es nur, weil du es mir erzählt hast.“
„Menschen reden. Vielleicht habe ich es irgendjemand vom Team gegenüber bemerkt, der es ihm erzählt hat. Du sorgst dich zuviel darum.“
„Vielleicht“, räumte er ein. „Sei nur vorsichtig. Ich habe gelernt, meinen Instinkten zu trauen.“
Grayson verbrachte die nächsten vier Stunden mit Gillian. Die meiste Zeit ließ er sie reden. Manchmal sprudelte es nur so aus ihr heraus, dann zog sie sich wieder still in sich zurück und schien vergessen zu haben, dass er überhaupt da war. Er hörte ihr gern zu, aber auch die stillen Phasen waren ihm angenehm. Es tat einfach gut, sie überhaupt wiederzusehen.
Es war fast Zeit zu gehen. Er hatte gelernt, dass ihr der Abschied schwerer fiel, je länger er blieb. Deshalb setzte er sich bei jedem Besuch immer eine zeitliche Begrenzung. Mit einem klaren Ziel fiel ihm leichter das zu tun, was er tun musste.
„Gigi?“, sagte er leise.
Gillian starrte auf die Wand, wieder in sich verloren.
„Gigi?“, sagte er ein wenig lauter. „Papa muss jetzt gehen. Okay?“
Als er beim letzten Mal gegangen war, hatte sie überhaupt nicht mitbekommen, dass er sich verabschiedet hatte. Doch dieses Mal wandte sie ihm etwas den Kopf zu und nickte. Er wusste nicht, was schlimmer war.
Er stand von der Bettkante auf und beugte sich vor, um sie auf den Kopf zu küssen.
„Geh ins Bett, Liebling. Unter die Decke. Versuch zu schlafen.“
Langsam, wie ein Automat, der von seinen Worten
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