Mass Effect 02 - Der Aufstieg
Gefahr“, erklärte er. „In jeder Sekunde, die ich ungenutzt verstreichen ließ, hätte jemand verletzt werden können. Oder Schlimmeres.“
„Aber das ist nicht geschehen. Du musst dir deswegen keine Vorwürfe machen.“
„Du verstehst nicht“, sagte er und schüttelte frustriert den Kopf. „Ich habe die Sicherheit von Gillian über die der anderen Schüler dieser Akademie gestellt. Das kann ich mir in meiner Position nicht leisten. Ich bin für solche Notsituationen ausgebildet worden, und dabei dürfen mir meine persönlichen Gefühle nicht im Weg stehen.“
Kahlee sagte nichts, während sie über seine Worte nachdachte. Sie glaubte, dass er überreagierte. Aber er war niemand, der anfällig für leere Kommentare war. Sie war sich sicher, dass er ernsthaft darüber nachdachte, seinen Job aufzugeben.
„Was wirst du tun?“
„Ich denke darüber nach, Grayson anzubieten, mich als Privatlehrer für Gillian zu engagieren.“
Plötzlich ergab alles einen Sinn. Kahlee erkannte, dass es nicht darum ging, dass Hendel Schuldgefühle hatte oder was passiert war. Nicht wirklich. Hendel war um alle Kinder im Programm besorgt, aber Gillian war anders. Sie brauchte mehr Hilfe als die anderen. Sie beanspruchte mehr Zeit und Aufmerksamkeit. Deshalb war Hendel ihr mehr zugeneigt als den anderen. Es war nicht fair, aber wer sagte, dass das Leben fair war?
Gillian war etwas Besonderes für ihn. Hendel sorgte sich um sie. Hendel liebte sie. Und er war bereit alles zu tun, um Teil ihres Lebens zu bleiben, selbst wenn er dafür seine Karriere opfern musste.
„Halt die Kündigung noch eine Weile zurück“, sagte Kahlee und tätschelte ihm sanft die Hand. „Zumindest bis wir sicher sein können, ob das Direktorium Gillian hier bleiben lässt.“
„Sie lassen sie nicht bleiben. Das wissen wir doch beide.“
„Vielleicht nicht“, gab sie zu. „Aber es besteht zumindest die Möglichkeit.“ Sie dachte an das Gespräch mit Jiro am Abend davor zurück. „Wenn es sein muss, könnte ich meinen Vater um Hilfe bitten.“
„Deinen Vater?“, fragte Hendel verwirrt.
„Admiral Jon Grissom.“
Hendel fiel die Kinnlade herunter. „Grissom ist dein Vater? Ich … Das wusste ich nicht.“
„Ich rede nicht gern darüber“, sagte sie. „Jiro weiß es vermutlich als einziger.“
„Wie hat er reagiert, als du es ihm gesagt hast?“, fragte Hendel immer noch verblüfft.
„Ich … Daran erinnere ich mich nicht“, antwortete Kahlee unsicher und überlegte. Ich müsste mich doch daran erinnern, ihm so etwas erzählt zu haben. „Ich kann mich wirklich nicht daran erinnern. Aber er weiß es. Wir haben gestern Nacht darüber gesprochen.“ Aber wenn ich es ihm nicht gesagt habe, woher weiß er es dann?
Hendels Gesichtsausdruck war nun nicht mehr ungläubig, sondern eher besorgt. „Kahlee? Was ist los? Was stimmt nicht?“
„Niemand weiß, wer mein Vater ist“, sagte sie langsam und überlegte immer noch, wie Jiro das wissen konnte und was diese Erkenntnis bedeutete. „Es steht nicht mal in meiner Akte bei der Allianz. Es gibt nur ein Dokument, das meinen Vater erwähnt: der geheime Bericht, den Anderson vor zwanzig Jahren angefertigt hat. Der unterliegt der allerhöchsten Sicherheitsstufe.“
„Und du hast es ihm definitiv nicht erzählt? Wieso sollte einer deiner Labortechniker eine derartige Sicherheitsfreigabe haben?“, fragte Hendel besorgt. „Hier stimmt etwas nicht.“
Kahlee konnte nur nicken. Sie war entsetzt über die Möglichkeit, dass der Mann, mit dem sie schlief, sie die ganze Zeit belogen hatte. Wie oft hatte er gelogen? Und warum?
„Ich muss mit Jiro reden. Jetzt!“, sagte Hendel, zog eine Schublade seines Schreibtischs auf und holte eine Pistole hervor. „Wo ist er?“, wollte er wissen, während er die Pistole in sein Halfter schob.
„Er wollte Gillian sehen.“
Hendel hämmerte auf die Knöpfe des Telefons auf dem Tisch ein, blieb dabei jedoch ruhig und zielgerichtet. Kahlee war auch aufgewühlt, aber Hendels Eile überraschte sie. Vielleicht war er bemüht, wieder alles unter Kontrolle zu bekommen, was in den letzten Tagen geschehen war.
„Quarantänestation“, antwortete die Stimme der Schwester.
„Hier ist Sicherheitschef Mitra. Ist Dr. Toshiwa schon bei Gillian?“
„Ja, Sir. Er hat sie mit ins Atrium genommen. Soll ich ihn …“
Hendel unterbrach die Verbindung und brüllte „Tür – auf!“, während er schon aus dem Raum lief. Kahlee brauchte eine ganze Sekunde, bis sie
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