Mathias Sandorf
näherten, wo das Boot vom »Electric« sie erwarten sollte, sahen sie einen Zollwächter auf den Klippen des Ufers entlang wandern.
Sie setzten ihren Weg fort, ohne über dessen Anwesenheit besorgt zu sein. Ein lauter Ruf, vom Doctor ausgestoßen, ließ den Führer des Bootes, das bis dahin unsichtbar geblieben war, herbeieilen.
Kap Matifu ging auf ein Zeichen an den Klippen hinunter und schickte sich an, den Fuß in das Boot zu setzen.
Der Zollwächter aber war auch schon zur Stelle und da er die Anstalten zur Einschiffung sah, so rief er die Fremden an:
»Wer seid Ihr?
– Leute, die Euch die Wahl zwischen zwanzig Gulden baar und einem Faustschlag lassen – ebenfalls baar,« erwiderte Pointe Pescade, indem er auf Kap Matifu zeigte.
Der Zollwächter zauderte nicht: er nahm die zwanzig Gulden.
»In See!« commandirte der Doctor.
Einen Augenblick später war das Boot in der Dunkelheit verschwunden. Nach ferneren fünf Minuten legte es an dem spindelförmigen Fahrzeuge an, das man vom Ufer aus nicht bemerken konnte.
Das Boot wurde an Bord gehißt, und der von seiner geräuschlosen Maschine in Bewegung gesetzte »Electric« hatte bald die offene See gewonnen.
Kap Matifu hatte den Körper Peter Bathory’s auf einen Divan in einer schmalen Cabine gelegt, die keine Luftöffnung besaß, durch welche ein Lichtstrahl hätte nach außen dringen können.
Der Doctor blieb allein hier zurück; er beugte sich über Peter und seine Lippen küßten die entfärbte Stirn.
»Erwache jetzt, Peter, sagte er. Ich will es!«
Sofort öffnete Peter die Augen, als wäre er nur in einen magnetischen Schlaf, der dem Tode so ähnlich sieht, versanken gewesen.
Etwas wie Widerwillen malte sich zuerst auf seinen Zügen, als er den Doctor Antekirtt erkannte.
»Sie? murmelte er. Sie, der Sie mich verlassen haben?!
– Ich bin es, Peter!
– Aber wer sind Sie eigentlich?
– Ein Todter, wie Du!
– Ein Todter?
– Ich bin Graf Mathias Sandorf!«…
Ende des zweiten Theiles.
Dritter Theil.
Erstes Capitel.
Das Mittelmeer.
»Das Mittelmeer ist schön, vornehmlich durch zwei Eigenschaften: seinen harmonievollen Rahmen und die Lebhaftigkeit, Durchsichtigkeit seiner Luft und seines Lichtes… So wie es ist, härtet es bewundernswerth den Menschen ab. Es gibt ihm die ausdauerndste, straffe Kraft; es erzeugt die dauerhaftesten Rassen.«
Michelet hat das gesagt und er hat das Richtige gesagt. Doch zum Glück für die Menschheit hat die Natur, in Ermangelung eines Hercules, den Felsen von Calpe von dem von Abyla getrennt, um die Meerenge von Gibraltar zu formen. Man kann ganz getrost über die Behauptung so mancher Geologen hinwegsehen, und behaupten, daß diese Meerenge schon von jeher vorhanden gewesen ist. Ohne sie gäbe es kein Mittelmeer. Die Verdunstung entführt in Wirklichkeit diesem Meere dreimal so viel Wasser, als ihm seine sämmtlichen Zuflüsse zuführen; wenn also der es wiederergänzende Strom aus dem Atlantischen Ocean sich nicht durch die Meerenge wälzen würde, so wäre es schon seit vielen Jahrhunderten eine Art Todten Meeres, anstatt das lebendige Meer »
par excellence
« zu sein.
In einer der verborgensten und unbekanntesten Gegenden dieses ungeheuren Mittelländischen Sees hatte Graf Sandorf – er mußte bis zur festgesetzten Stunde, bis zur vollständigen Vollendung seines Werkes der Doctor Antekirtt bleiben – sein Leben geborgen, um alle Vortheile, die ihm sein falscher Tod bringen mußte, genießen zu können.
Es gibt auf der Erdkugel zwei Mittelmeere, eines in der alten, eines in der neuen Welt. Das amerikanische Mittelmeer ist der Golf von Mexiko; es nimmt nicht weniger als vier und eine halbe Million Quadratkilometer ein. Während indessen das lateinische Mittelmeer nur über eine Oberfläche von zwei Millionen achtmalhundertfünfundachtzigtausend fünfhundert und zweiundzwanzig Quadratkilometer verfügt, also nur halb so groß ist als das andere, erscheint es in seiner ganzen Gestaltung viel bunter, an prächtigen Bassins und Meerbusen reicher und an breiten hydrographischen Unterabtheilungen, welche den Namen von Meeren verdienen. So der griechische Archipel, das Meer von Creta oberhalb der gleichnamigen Insel, das untere Lybische Meer, das Adriatische zwischen Italien, Oesterreich, der Türkei und Griechenland, das Ionische, welches Korfu, Xante, Kephalonia und die anderen Inseln bespült, das Tyrrhenische im Westen Italiens, das Aeolische bei der Gruppe der Liparischen Inseln, der Golf von
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