Mathias Sandorf
verschiedenen Hauptstädte Europa’s, in denen er sein Vermögen verschwendete, dann seinen Aufenthalt in den östlichen Provinzen Siciliens, woselbst er und sein Genosse Zirone über die Coups nachsannen, mit Hilfe derer sie sich flott erhalten konnten. Er wußte, daß Carpena von Rovigno und Istrien nach Italien und Oesterreich gegangen und so lange müßig geblieben war, als die wenigen tausend Gulden, der Judaslohn, dies gestatteten. Er hätte Andrea Ferrato ganz gewiß aus dem Gefängnisse von Stein in Nieder-Oesterreich erlöst, wo er für seine edelmüthige Handlungsweise an den Flüchtlingen von Pisino büßte, wenn nicht schon nach einigen Monaten der Tod den ehrbaren Fischer von Ketten und Banden erlöst haben würde. Seine Kinder, Maria und Luigi, hatten Rovigno gleichfalls verlassen und kämpften wahrscheinlich gegen das Unglück eines zweimal gebrochenen Lebens an. Sie hatten sich indessen so gut zu verbergen gewußt, daß es bisher nicht möglich gewesen war, sie aufzufinden. Frau Bathory, die sich mit ihrem Sohne Peter und Borik, dem früheren Diener des Grafen Ladislaus Zathmar, in Ragusa niedergelassen, hatte der Doctor niemals aus den Augen verloren und man weiß, daß er ihnen eine bedeutende Summe hatte zukommen lassen, die von der stolzen und muthigen Frau aber nicht angenommen worden war.
Endlich war nun die Stunde gekommen, in welcher der Doctor seinen schwierigen Feldzug beginnen konnte. Als ein schon seit fünfzehn Jahren todter Mann fühlte er sich sicher, nach so langer Abwesenheit von Keinem erkannt zu werden, und so kam er nach Ragusa, gerade gelegen, um den Sohn Stephan Bathory’s und die Tochter Silas Toronthal’s in Liebe zu einander entbrannt zu sehen, die er um jeden Preis vernichten mußte. Man wird nicht vergessen haben, was damals geschah, Sarcany’s Dazwischenkunft und die Folgen für beide Theile, wie Peter in das Haus seiner Mutter gebracht wurde und was Doctor Antekirtt in dem Augenblicke that, als der junge Mann zu sterben schien, wie und unter welchen Umständen er ihn ins Leben zurückrief und sich ihm unter seinem wirklichen Namen Mathias Sandorf vorstellte.
Jetzt mußte Peter geheilt werden und Alles erfahren, was er noch nicht wußte, das heißt, daß ein gemeiner Verrath zugleich mit seinem Vater dessen beide Genossen betroffen hatte; es mußte ihm gesagt werden, wer die Verräther waren, er mußte nun zum unerbittlichen Richter in der Sache werden, welche der Doctor abseits von der Gerichtsbarkeit der Menschen entscheiden wollte, da er selbst ein Opfer dieser Gerechtigkeitspflege geworden war.
Zunächst die Heilung Peter Bathory’s! Und dieser Heilung widmete der Doctor sein ganzes Können.
Während der ersten acht Tage nach seiner Transportirung auf die Insel schwebte Peter thatsächlich zwischen Leben und Tod. Nicht nur, daß seine Wunde ein sehr bedenkliches Aussehen hatte, auch sein Verstand schien schwer erkrankt. Die Erinnerung an Sarah, welche er jetzt mit Sarcany verheiratet wähnen mußte, der Gedanke an seine Mutter, die ihn beweinte, dann die Auferstehung des Grafen Mathias Sandorf, der unter dem Namen des Doctors Antekirtt lebte – Mathias Sandorf’s, des ergebensten Freundes seines Vaters – Alles das konnte ein schon so hart geprüftes Gemüth recht wohl in Verwirrung setzen.
Der Doctor wollte Peter Tag und Nacht nicht allein lassen. Er hörte ihn in seinen Fieberträumen den Namen Sarah Toronthal’s unablässig wiederholen. Er sah recht, wie tief die Liebe in ihm wurzelte und welche Qual Peter die Heirat Derjenigen, die er liebte, verursachte. Er mußte sich schließlich fragen, ob eine so große Liebe nicht Allem widerstehen würde, selbst der Mittheilung, daß Sarah die Tochter des Mannes sei, der seinen Vater verrathen, verkauft, getödtet hätte. Und doch wollte der Doctor es ihm sagen. Er war dazu entschlossen, solches seine Pflicht.
Zwanzig Male glaubte man Peter unterliegen zu sehen. An Körper und Geist sterbenskrank, war er dem Tode so nahe, daß er Mathias Sandorf, der an seinen Kissen stand, nicht mehr erkannte. Er besaß nicht einmal die Kraft mehr, den Namen Sarah auszusprechen.
Die ihn umgebende Sorgfalt half ihm endlich über die Krisis fort. Die Kraft der Jugend gewann die Oberhand. Der Kranke begann bereits am Körper zu genesen, als der Geist noch krankte Die Wunde fing an zu vernarben, die Lungenflügel nahmen ihre regelmäßige Thätigkeit wieder auf, am 17. Juli konnte der Doctor es als gewiß ansehen, daß Peter am
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