Mathias Sandorf
angesichts dieser rührenden Scene nicht zurückhalten. Es war ihm, als zöge ihn sein ganzes Selbst mit unwiderstehlicher Gewalt zu dem jungen, fast gleichaltrigen Manne hin, dem braven Sohne des Fischers von Rovigno.
»Auch mich, auch mich! rief er mit ausgebreiteten Armen.
– Sie, mein Herr?
– Mich auch… den Sohn Stephan Bathory’s.«
Der Doctor konnte es schwerlich bedauern, daß dieses Geständniß Peter entschlüpft war. Gewiß nicht. Er war überzeugt, daß Luigi Ferrato das Geheimniß bewahren würde, wie Pointe Pescade und Kap Matifu es ebenfalls gethan hatten.
Luigi wurde alsdann von Allem unterrichtet und erfuhr namentlich, welchen Zweck Doctor Antekirtt verfolgte. Nur eine Sache wurde ihm verheimlicht: der junge Fischer sollte nicht wissen, daß er vor dem Grafen Mathias Sandorf stand.
Der Doctor wollte sich unverzüglich zu Maria Ferrato führen lassen. Er brannte darauf, sie wiederzusehen, namentlich das Leben, das sie jetzt führte, kennen zu lernen, gewiß ein Leben voller Arbeit und Armuth, da der Tod Andrea’s ihr den Bruder auf dem Hals gelassen hatte.
»Gut, Herr Doctor, sagte Luigi, wenn Sie wollen, gehen wir sofort an Land. Maria wird überdies meinetwegen sehr besorgt sein. Es sind nun bald achtundvierzig Stunden her, daß ich sie verlassen habe, um auf der Rhede von Melleah zu fischen, und sie glaubt vielleicht, daß mir bei dem Unwetter in dieser Nacht ein Unglück zugestoßen ist.
– Ihr liebt Eure Schwester sehr? fragte Doctor Antekirtt.
– Sie ist mir Mutter und Schwester zugleich,« erwiderte Luigi.
Gehört die hundert Kilometer von Sicilien gelegene Insel Malta zu Afrika oder zu Europa? Das ist eine Frage, deren Lösung die Geographen schon vielfach in Aufregung versetzt hat. Wie dem auch immer sei, nachdem sie von Karl V. den Johanniterrittern geschenkt worden war, die von Soliman aus Rhodus vertrieben wurden und hier den Namen Malteserritter annahmen, gehört sie jetzt den Engländern und es würde sehr schwer halten, sie diesen wieder zu nehmen.
Malta ist eine Insel, deren Länge achtundzwanzig, deren Breite sechzehn Kilometer beträgt. Ihre Hauptstadt bildet La Vallette und deren Ausläufer; es liegen noch andere Städte und Ortschaften auf der Insel, so Citta Vecchia – einer Art heiliger Stadt, die zur Zeit der Ritter der Sitz des Bischofs war – Bosquet, Dinghi, Zebug, Ita, Berkercara, Luca, Farrugi und so fort. Sehr fruchtbar in ihrem östlichen, sehr dürr in ihrem westlichen Theile, bietet sie einen auffallenden Contrast, der sich deutlich dadurch ausdrückt, daß die Bevölkerung – im Ganzen über einmalhunderttausend Seelen – im östlichen Theile viel dichter als am entgegengesetzten Ende sitzt.
Was die Natur für diese Insel dadurch gethan hat, daß sie in das Gestade vier bis fünf Häfen – die schönsten der Welt – eingelassen hat, spottet jeder Einbildungskraft. Ueberall Wasser, überall Landspitzen, Kaps und Anhöhen, die sich zur Aufnahme von Befestigungen und Batterien eignen. Hatten schon die Ritter die Insel zu einem schwer einnehmbaren Platz gemacht, um wie viel mehr erst die Engländer, welche sie trotz des Friedens von Amiens behielten und sie geradezu uneinnehmbar machten. Kein Panzerschiff, so scheint es, wäre im Stande, den Eingang zur Großen Marse oder großen Hafen, noch weniger zum Quarantaine-Hafen oder Marse Muscetto zu erzwingen. Vorausgesetzt, daß ein solches sich nähern könnte, so würde es jetzt Zweihunderttonnengeschütze vorfinden, die mit Hilfe ihrer hydraulischen Lade-und Zielvorrichtungen ein neunhundert Kilo schweres Geschoß fünfzehn Kilometer weit schleudern können. Dies den Mächten zur Nachricht, welche mit Bedauern diese herrliche Station in den Händen der Engländer sehen, die das centrale Mittelmeer beherrscht, innerhalb welcher sämmtliche Flotten oder Geschwader des vereinigten Königreiches Platz finden können.
Natürlich gibt es Engländer in Malta. Man findet dort einen Generalgouverneur, der in dem einstigen Palast des Großmeisters des Ordens wohnt, einen Admiral, der der Chef der Marine und der Häfen ist, eine Garnison von vier-bis fünftausend Mann; doch leben auch Italiener dort, die sich daselbst gern zu Hause fühlen möchten, ferner findet man eine kosmopolitische wandernde Bevölkerung vor, wie auf Gibraltar, und namentlich Malteser.
Die Malteser sind. Afrikaner. In den Häfen lenken sie ihre mit grellen Farben angestrichenen Barken; in den Straßen leiten sie ihre Fuhrwerke über
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