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Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Gäßchen verdienen. Und vor allen Oeffnungen und Luftlöchern, in den schief getretenen Hausfluren, auf den wackelnden Stufen eine entsetzliche Menschheit; alte Weiber mit Hexengesichtern, Mütter mit blutleerem Antlitz, deren Blutlosigkeit durch den Mangel an frischer Luft herbeigeführt wird, in Lumpen gehüllte Mädchen jeden Alters, kränklich aussehende, halbnackte Knaben, die sich im Schlamme wälzen, Bettler, welche ihre verschiedenen, goldene Früchte tragenden Entstellungen und Wunden zur Schau stellen, Männer, Lastträger oder Fischer mit wildem Aussehen, zu allen schlechten Thaten schnell bereit – und inmitten dieses Menschengewimmels einige phlegmatische Polizisten, welche sich an diese unglaubliche Gesellschaft schon gewöhnt haben und nicht nur mit diesem Schwarm vertraut, sondern auch verwandt sind. Ein vollkommener »Hof der Wunder«, doch sichtbar inmitten befremdlicher Bauwerke, deren letzte Verästelungen in vergitterte Kellerwohnungen enden, deren Mauern die Dicke von Vorhängen besitzen und die in gleicher Tiefe mit dem Quai des Quarantaine-Hafens liegen, der von der Sonne beschienen und von der Seebrise überhaucht wird.
    In einem dieser Häuser und zwar im obersten Stockwerke wohnten Maria und Luigi Ferrato. Nur zwei Kammern nannten sie ihr Eigen. Der Doctor fühlte sich von der Armuth, aber auch von dem reinlichen Aussehen dieser Wohnung eigenthümlich berührt. Man erkannte hier überall die Hand der sorgsamen Haushälterin, die einst über das Haus des Fischers von Rovigno waltete.
    Als der Doctor und Peter eintraten, erhob sich Maria schnell. Dann sich dem Bruder zuwendend, rief sie:
    »Mein Kind!… Mein Luigi!«
    Man begreift, welche Angst sie während des Sturmes in der vergangenen Nacht ausgestanden hatte.
    Luigi umarmte die Schwester und stellte ihr seine Begleiter vor.
    Der Doctor erzählte mit wenigen Worten, unter welchen Umständen Luigi sein Leben in die Schanze geschlagen hatte, um das dem Untergange geweihte Schiff zu retten und zu gleicher Zeit verwies er sie auf Peter, den Sohn Stephan Bathory’s. Während er sprach, betrachtete ihn Maria mit so großer Aufmerksamkeit, daß der Doctor einen Augenblick mit Recht befürchten konnte, sie hätte in ihm den Grafen Sandorf wiedererkannt. Doch war es nur ein flüchtiges Aufblitzen in ihren Augen gewesen, das bald wieder erlosch. Wie hätte sie ihn auch nach fünfzehn Jahren wiedererkennen sollen, ihn, der außerdem nur auf wenige Stunden der Gast ihres Vaters gewesen war.
    Die Tochter von Andrea Ferrato war jetzt dreiunddreißig Jahre alt. Sie war immer noch schön zu nennen durch die Reinheit der Linien ihres Antlitzes und das Feuer ihrer großen Augen. Nur einige wenige weiße Haare, die sich in das schwarze Gelock ihres Hauptes mischten, besagten, daß sie mehr durch die Härten ihrer jetzigen Lebensweise als durch die lange Dauer derselben gelitten hatte. Das Alter war unschuldig an diesem frühzeitigen Weiß, welches seine Entstehung der Ueberanstrengung, den Sorgen und
     

    An den hohen Häusern mit grünlichem Vorbau und Nischen vorüber…(S. 343.)
     
    Schmerzen verdankte, die sie seit dem Tode des Fischers von Rovigno durchkostet hatte.
    »Eure und Luigi’s Zukunft gehören von nun an uns, mit diesen Worten schloß der Doctor seine Erzählung. Sind meine Freunde nicht die Schuldner Andrea Ferrato’s geblieben? Ihr erlaubt also, Maria, daß sich Luigi von uns nicht mehr trennt?
    – Mein Bruder hat in dieser Nacht nur gethan, was er thun mußte, meine Herren, antwortete Maria, und ich danke dem Himmel, daß er ihm diesen guten Gedanken eingegeben. Er ist der Sohn eines Mannes, der stets nur Eines gekannt hat, die Erfüllung seiner Pflicht.
    – Und wir kennen ebenfalls nur Eines, erwiderte der Doctor, nämlich unser Recht, die Schuld der Erkenntlichkeit den Kindern desjenigen abzustatten…«
    Er hielt inne. Maria betrachtete ihn von Neuem und dieser Blick drang ihm durch und durch. Er fürchtete zuviel gesagt zu haben.
    »Ihr würdet Luigi gewiß nicht hindern, Maria, mein Bruder zu sein? fragte Peter Bathory.
    – Und Ihr selbst habt doch gewiß nichts dagegen, Maria, wenn ich Euch zu meiner Tochter mache?« setzte der Doctor hinzu und reichte Jener die Hand.
    Maria mußte nun ihr Leben seit ihrem Auszuge aus Rovigno schildern, wie ihr dort das Spioniren der österreichischen Agenten das Leben unerträglich machte, warum sie den Gedanken faßte, nach Malta zu übersiedeln, woselbst Luigi Gelegenheit fand, sich zum

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