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Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Schwindel erregende Abhänge; auf den Märkten verkaufen sie Früchte, Hülsenfrüchte, Fleisch, Fische im Scheine einer kleinen, buntangestrichenen Heiligenlampe, inmitten eines betäubenden Lärms. Man könnte behaupten, daß alle diese Menschen sich gleichen mit ihrem schwarzbraunen Teint, ihren schwarzen, etwas krausen Haaren, ihren glühenden Augen und ihrer mittelgroßen, aber kräftigen Gestalt. Man möchte darauf schwören, daß die Frauen einer einzigen Familie entstammen; ihre langwimprigen Augen sind gleich groß, ihre Haare gleich dunkel, ihre Hände entzückend, ihre Füße zierlich, ihre Hüften schlank und geschmeidig, ihre Haut ist von einer Weiße, welche die Sonne unter der »Falzetta«, einer Art Mantel aus schwarzer Seide, nicht bräunen kann; dieser Mantel wird nach tunesischer Mode getragen, er ist allen Classen gemeinsam und dient zu gleicher Zeit als Haarschmuck, Mantille und selbst als Fächer.
    Die Malteser besitzen kaufmännischen Sinn. Man trifft sie überall da, wo es etwas zu handeln gibt. Sie sind arbeitsam, ökonomisch, industriell, nüchtern, aber auch heftig, rachsüchtig, eifersüchtig, so weit man wenigstens vom niederen Volke schließen kann, das sich am meisten dem Studium des Beobachters darbietet. Sie sprechen eine Art von Patois, dem das Arabische zu Grunde liegt, ein Ueberbleibsel von der Eroberung, welche dem Niedergange des römischen Kaiserreiches folgte, eine lebhafte, bewegte, malerische Sprache, die sich vortrefflich zu Gleichnissen, Bildern, zur Poesie eignet. Die Malteser sind treffliche Seeleute, wenn man sie zu fesseln versteht, und kühne Fischer, welche die häufigen Stürme dieser Meere mit allen Gefahren vertraut gemacht haben.
    Auf dieser Insel also übte Luigi sein Gewerbe jetzt mit derselben Kühnheit aus, als wenn er Malteser gewesen wäre, und hier wohnte er seit fast fünfzehn Jahren mit seiner Schwester Maria.
    La Vallette und seine Ausläufer wurde oben gesagt. Die Stadt besteht nämlich thatsächlich aus wenigstens sechs Städten, die um die beiden Häfen der Großen Marse und den Quarantaine-Hafen herum liegen. Floriana, La Senglea, La Cospiqua, La Vittoriosa, La Sliema, La Misida sind keine Vororte, auch keine bloßen Anhäufungen von Häusern, welche arme Leute bewohnen, sondern wirkliche Städte, mit prächtigen Wohnungen, Hotels, Kirchen, die der Hauptstadt von fünfundzwanzigtausend Menschen zur Zierde gereichen, in welcher man Paläste bewundern kann, die sich »
auberges de Provence, de Castille, d’Auvergne, d’Italie
und
de France
« nennen.
    Bruder und Schwester wohnten in La Vallette selbst. Es wäre vielleicht richtiger, zu sagen: unter La Vallette, denn sie bewohnten eine Art unterirdisches Quartier, genannt das Manderaggio, zu dem sich der Eingang in der Strada San Marco befindet. Dort hatten sie ein Unterkommen finden können, das ihren bescheidenen Einkünften entsprach, und hierhin führte Luigi den Doctor und Peter, sobald die Dampf-Yacht vor Anker gegangen war.
    Alle drei stiegen am Quai aus, nachdem sie hunderte von Barken, die ihnen ihre Dienste anboten, hatten abweisen müssen. Sie durchschritten die Porta della Marina, halb betäubt von dem Spiel und Getön der Glocken, das sich wie klingende Luft über die Hauptstadt von Malta legt. Nachdem sie das Fort mit doppelten Kasematten passirt hatten, stiegen sie eine steile Rampe hinauf, sodann eine aus Stufen sich aufbauende schmale Straße. An den hohen Häusern mit grünlichem Vorbau und Nischen mit angezündeten Heiligenlampen vorüber gelangten sie zur Kathedrale vom heiligen Johannes, die inmitten der lärmendsten Bevölkerung der Erde gelegen ist.
    Nachdem sie in der Nähe der Kathedrale den Rücken der Anhöhe erreicht, stiegen sie wieder hinunter und sie wendeten sich nunmehr dem Quarantaine-Hafen zu; dann in der Strada San Marco machten sie in halber Höhe des Abhanges vor einer Treppe Halt, die zur Rechten zu den tiefer gelegenen Theilen der Stadt hinabführt.
    Das Manderaggio ist ein Stadttheil, der sich mit seinen engen Straßen, in welche die Sonne niemals hineindringt, und mit seinen hohen gelblichen Mauern, die unregelmäßig von tausenden theils vergitterten, theils offenen als Fenster dienenden Löchern durchsiebt sind, bis unter die Wälle hinzieht. Ueberall Wendeltreppen, die zu vollkommenen Cloaken hinabführen, niedrige, feuchte, schmutzige Thüren wie in den Häusern einer Kasbah, schluchtartige Laufgräben, dunkle Tunnels, die nicht einmal den Namen von

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