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Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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reiche Kaufleute waren ebenfalls gebeten worden und verbargen unschwer ihr Vergnügen, den Doctor Antekirtt sehen und sprechen hören zu können. Dieser erzählte gern und viel von seinen Reisen im Orient, durch Syrien, Arabien und Nordafrika.
    Dann wendete sich die Unterhaltung wieder Ceuta zu und der Doctor konnte nicht umhin, dem Gouverneur für seine verdienstvolle Verwaltung der spanischen Enclave ein lautes Lob zu sagen.
    »Macht Ihnen, fügte er hinzu, die Ueberwachung der Gefangenen nicht mitunter große Sorge?
    – Und warum, mein lieber Herr Doctor?
    – Ich denke, diese Leute machen oftmals den Versuch zu entfliehen? Da jeder Gefangene öfter an die Bewerkstelligung seiner Flucht denkt, als seine Wächter daran, sie zu verhindern, so folgt daraus, daß der Gefangene im Vortheil ist. Ich würde wirklich nicht überrascht sein, von Ihnen zu hören, daß so manchmal Einer beim Abendappell vermißt wird.
    – Niemals, antwortete der Gouverneur, niemals! Wohin sollten diese Flüchtlinge auch gehen? Der Weg über das Meer ist ihnen vollständig abgeschnitten. In das Land hinein und unter die wilden Stämme Marokko’s zu fliehen, wäre sehr gefährlich. Folglich bleiben unsere Sträflinge ruhig im Präsidio, wenn auch nicht mit großem Vergnügen, so doch aus Klugheit.
    – Wenn dem so ist, so kann man Ihnen Glück wünschen, Herr Gouverneur, denn es steht zu befürchten, daß dieses Hüten von Gefangenen in Zukunft eine noch schwierigere Sache sein wird, als sie es schon ist.
    – Wie ist das zu verstehen, Herr Doctor? fragte einer der Gäste, den diese Unterhaltung ganz besonders interessirte, weil er der Director der Strafanstalt war.
    – Weil, mein Herr, antwortete der Doctor, das Studium der magnetischen Erscheinungen große Fortschritte gemacht hat, weil die Proceduren mit Jedermann vorgenommen werden können, weil schließlich die Wirkungen der Suggestion von Tag zu Tag sich vermehren und auf nichts Kleineres hinauslaufen, als eine Person vollständig durch eine andere zu ersetzen.
    – Wie könnte das in diesem Falle…? fragte der Gouverneur.
    – In diesem Falle, denke ich wohl, wird es gerathen sein, die Wächter der Gefangenen nicht weniger überwachen zu lassen als letztere selbst. Ich war auf meinen Reisen häufig ein Zeuge so außerordentlicher Vorgänge, Herr Gouverneur, daß ich von dieser Gattung phänomenaler Erscheinungen eigentlich Alles erwarte. Es liegt in Ihrem Interesse, nicht zu vergessen, daß, wenn ein Gefangener unter dem Einflusse eines fremden Willens unbewußt entfliehen kann, ein demselben Einflusse unterworfener Wächter ihn nicht weniger unbewußt entfliehen lassen kann.
    – Würden Sie wohl die Güte haben, uns zu erklären, worin diese überraschende Erscheinung besteht? fragte der Director der Strafanstalt.
    – Sehr gern, Herr Director, an einem Beispiele werden Sie am Besten erkennen können, was ich meine, erwiderte Doctor Antekirtt. Nehmen Sie an, ein Wächter besäße eine natürliche Veranlagung, dem magnetischen oder hypnotischen Einflusse, was dasselbe ist, zu unterliegen, und nehmen wir ferner an, daß ein Sträfling diesen Einfluß auf ihn ausübt… Nun gut, so ist von diesem Augenblicke an der Gefangene zum Herrn über den Wächter geworden, er wird diesen thun lassen, wie es ihm gefälle, er wird ihn gehen lassen, wohin es ihm gefällt, er wird ihn nöthigen, ihm das Thor seines Gefängnisses aufzuschließen, wenn er in ihm diese Idee wachrufen wird.
    – Sehr richtig, antwortete der Director, doch kann er es nur unter einer Bedingung; er muß den Wächter vorher eingeschläfert haben….
    – Darin täuschen Sie sich, Herr Director, antwortete der Doctor. Alle Handlungen können in wachendem Zustande vorgenommen werden und trotzdem vollführt der Wächter sie unbewußt.
    – Wie? Sie behaupten…?
    – Ich behaupte und will es gern beweisen, daß ein Gefangener unter Ausübung des magnetischen Einflusses zu seinem Wächter sagen kann: An dem und dem Tage, zu der und der Stunde wirst Du das und das thun, und der Wächter wird es thun! An dem und dem Tage bringst Du mir die Schlüssel zu meiner Zelle und er wird sie bringen! An dem und dem Tage wirst Du mir das Thor des Präsidio öffnen und er wird es öffnen. An dem und dem Tage werde ich an Dir vorübergehen und Du wirst mich nicht vorübergehen sehen.
    – Im wachenden Zustande?
    – Vollständig wachend!«
    Bei dieser Behauptung des Doctors machte sich unter den Anwesenden eine schlecht verhehlte Bewegung

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