Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
einzige Erklärung, welche man dem Phänomen geben kann – Carpena wird sich unter dem Einflusse der Suggestion, der Eingebung befinden, die von mir ausgeht und in Wirklichkeit ist es nicht er, der die verschiedenen Dinge ausführt, sondern ich bin es.«
    Der Gouverneur, dessen Unglaube hinsichtlich dieses Phänomens offenbar war, schrieb einige Zeilen, welche dem Oberaufseher des Präsidio den Befehl ertheilten, den Sträfling Carpena sich vollständig frei bewegen zu lassen; man sollte sich lediglich darauf beschränken, ihm in einiger Entfernung zu folgen. Das Billet wurde unverzüglich von einem der Adjutanten in das Gefängniß gebracht.
    Da das Diner inzwischen sein Ende erreicht hatte, so erhoben sich die Gäste, und sie begaben sich auf die Einladung des Gouverneurs hin in den großen Salon.
    Die Unterhaltung beschäftigte sich natürlich auch jetzt noch mit den verschiedenen Erscheinungen des Magnetismus oder Hypnotismus, welche, wie bekannt, Anlaß zu großer Meinungsverschiedenheit gegeben und ebenso viele Gläubige als Ungläubige geschaffen haben. Doctor Antekirtt erzählte, während die Kaffeetassen umherwanderten, die Cigarren und Cigaretten ihre Rauchwölkchen verbreiteten – von solchen Dingen sind die Spanier anerkannte Liebhaber – zwanzig Vorfälle, deren Zeuge oder Veranlasser er während Ausübung seiner ärztlichen Praxis gewesen war. Diese Vorfälle waren alle wahrscheinlicher, fast unbestreitbarer Natur und dennoch schienen sie Keinen wirklich überzeugen zu können.
    Er ergänzte noch seine Mittheilungen dahin, daß diese Suggestionsmöglichkeit die Gesetzgeber, Criminalisten und Magistrate sehr ernstlich werde beschäftigen müssen, da sie leicht zu verbrecherischen Zwecken ausgenützt werden könnte. Mit Hilfe dieser Gedankenübertragung könnten sich unbestreitbare Fälle ereignen oder Verbrechen begangen werden, deren Urheber zu entdecken eine Unmöglichkeit wäre.
    Plötzlich, siebenundzwanzig Minuten vor neun Uhr, unterbrach sich der Doctor und sagte:
    »Carpena verläßt in diesem Augenblick das Hospital.«
    Eine Minute später fuhr er fort:
    »Jetzt durchschreitet er das Thor des Gefängnisses.«
    Der Ton, in welchem diese Worte vorgebracht wurden, verfehlte nicht, Eindruck auf die Anwesenden zu machen, nur der Gouverneur schüttelte unüberzeugt mit dem Kopfe.
    Die Unterhaltung begann von Neuem, der Eine war für, der Andere gegen den Doctor, Alle sprachen auf einmal, bis der Doctor fünf Minuten vor neun Uhr noch einmal den Redeschwall unterbrach und sagte:
    »Carpena steht vor der Thür der Residenz!«
    Fast in demselben Augenblicke betrat ein Diener den Salon und benachrichtigte den Gouverneur, daß ein in der Sträflingskleidung steckendes Individuum ihn dringlichst zu sprechen wünschte.
    »Laß ihn eintreten,« antwortete der Gouverneur, dessen Unglaube vor der Augenscheinlichkeit der Thatsachen merklich abzunehmen begann.
    Es schlug gerade neun Uhr, als Carpena sich an der Thür des Salons zeigte. Er schien keinen der Anwesenden zu bemerken, obwohl seine Augen vollständig offen waren und ging direct auf den Gouverneur zu. Er ließ sich vor ihm auf die Knie nieder und sagte:
    »Sire, ich bitte um Gnade!«
    Der Gouverneur, vollständig verwirrt, als wenn er selbst sich unter dem Eindrucke einer Hallucination befände, wußte nicht, was er ihm antworten sollte.
    »Sie können ihm mit ruhigem Gewissen Gnade zu Theil werden lassen, sagte der Doctor lachend. Er wird keine Erinnerung an dieselbe behalten.
    – Ich begnadige Dich! antwortete der Gouverneur mit der Würde eines Königs aller Spanier.
    – Wollen, Sire, nicht Ihrer Gnade das Kreuz Isabella’s hinzufügen? bettelte Carpena, noch immer auf den Knien liegend.
    – Ich verleihe es Dir!«
    Carpena machte eine Bewegung, die ausdrücken sollte, daß er einen ihm von dem Gouverneur gereichten Gegenstand entgegennähme und dieses imaginäre Kreuz an seine Brust hefte. Dann stand er auf und schritt rückwärts aus dem Salon.
    Diesmal folgten ihm die überzeugten Anwesenden sämmtlich bis zum Thore der Residenz.
    »Ich will ihn begleiten, ich will ihn in das Hospital zurückkehren sehen, rief der Gouverneur, der mit sich selbst kämpfte, und sich hartnäckig weigerte, sich gegen seine bessere Ueberzeugung offenbar besiegt zu geben.
    – Kommen Sie!« sagte der Doctor.
    Der Gouverneur, Peter Bathory, Doctor Antekirtt schlugen, begleitet von mehreren anderen Persönlichkeiten, denselben Weg ein wie Carpena, welcher der Stadt

Weitere Kostenlose Bücher