Mathias Sandorf
er drei Tage zuvor innegehabt hatte, kein sicherer Ankerplatz für ihn. Der Kapitän drehte deshalb auf der anderen Seite der Stadt auf einer kleinen Rhede bei, welche durch ihre Lage vor den Landwinden geschützt ist; hier wurden in einer Entfernung von zwei Ankerlängen von der Küste die Anker geworfen.
Eine Viertelstunde später landete der Doctor an einem kleinen Molo. Namir, die ihn beobachtete, hatte jedes Manöver der Dampf-Yacht verfolgt. Der Doctor, welcher die Züge der Marokkanerin im Schatten des Bazars von Cattaro nur flüchtig hatte beobachten können, hätte sie kaum wiedererkannt, diese dagegen, welche den Doctor in Gravosa und in Ragusa oft genug zu Gesicht bekommen hatte, wußte genau, wer er war. Sie entschloß sich, so lange der Aufenthalt in Ceuta dauern sollte, mehr als je auf der Hut und wachsam zu sein.
Der Doctor fand bereits den Gouverneur und einen seiner Adjutanten, auf ihn wartend, am Quai vor.
»Willkommen, mein werther Gast, rief der Gouverneur. Sie sind ein Mann von Wort. Sie gehören mir nun mindestens für den ganzen Tag…
– Ich werde Ihnen nicht eher gehören, Herr Gouverneur, als bis Sie mein Gast gewesen sind. Vergessen Sie nicht, daß das Frühstück Sie an Bord des »Ferrato« erwartet.
– Nun, wenn es wartet, lieber Herr Doctor, wäre es unhöflich, es noch länger warten zu lassen.«
Das Boot brachte den Doctor und seine Gäste an Bord zurück. Die Tafel war luxuriös gedeckt, und Alle thaten der im Eßsalon der Dampf-Yacht aufgetragenen Mahlzeit Ehre an.
Während des Frühstücks drehte sich die Unterhaltung vornehmlich um die Verwaltung der Kolonie, über die Sitten und Gewohnheiten der Einwohner, über die Beziehungen der spanischen Bewohner zu den Eingeborenen. Ganz beiläufig fühlte sich der Doctor veranlaßt, nach dem Sträfling zu fragen, den er vor zwei bis drei Tagen auf der Landstraße nach der Residenz aus einem magnetischen Schlafe erlöst hatte.
»Er erinnert sich wohl an nichts? fragte er.
– An nichts, antwortete der Gouverneur. Uebrigens ist er augenblicklich nicht bei den Pflasterarbeiten thätig.
– Wo ist er denn? fragte der Doctor, etwas beunruhigt, was aber nur Peter bemerken konnte.
– Er befindet sich im Hospital, erwiderte der Gouverneur. Es scheint, daß jener Anfall seine kostbare Gesundheit angegriffen hat.
– Wer ist dieser Mann?
– Er ist ein Spanier, Namens Carpena, ein gemeiner Mörder, wenig Ihres Interesses werth, Doctor Antekirtt; sein Tod wäre wahrlich kein Verlust für das Präsidio.«
Dann kam man auf andere Dinge zu sprechen. Es paßte dem Doctor augenscheinlich nicht, des Weiteren von dem Deportirten und seinem Leiden zu sprechen, der nach einigen Tagen schon als gesund aus dem Hospital entlassen werden sollte.
Nach Beendigung des Frühstücks wurde der Kaffee auf Deck eingenommen und der Rauch der Cigarren und Cigarretten verflüchtete unter dem Zeltdache des Hinterdecks. Später bot der Doctor dem Gouverneur an, ihn sofort zu begleiten. Er gehörte jetzt ihm und wäre bereit, die spanische Enclave in allen ihren Abtheilungen zu besichtigen.
Das Anerbieten wurde mit Freuden angenommen und bis zur Stunde des Diners hatte der Gouverneur vollauf Zeit, dem berühmten Besucher der Kolonie die Honneurs zu machen.
Der Doctor und Peter Bathory wurden also gewissenhaft in der ganzen Enclave, der Stadt und der Landschaft herumgeführt. Kein Detail wurde ihnen geschenkt, weder in dem Gefängnisse noch in den Kasernen. An jenem Tage – einem Sonntage – waren die Sträflinge natürlich ihrer gewöhnlichen Arbeiten überhoben, der Doctor konnte sie also unter neuen Verhältnissen beobachten. Carpena sah er nur, als er durch einen der Säle des Lazareths schritt; der Doctor schien ihm keine besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Dieser gedachte noch in derselben Nacht nach Antekirtta zurückkehren zu können, doch wollte er zuvor noch den größten Theil des Abends beim Gouverneur verbringen. Gegen sechs Uhr Abends betrat er die Residenz, woselbst ein elegant servirtes Diner ihn erwartete, das als Gegenstück zu dem von ihm gegebenen Frühstück am Vormittag betrachtet wurde.
Der Doctor wurde, was eigentlich selbstverständlich ist, auf seinem Spaziergange »
intra et extra muros
« von Namir verfolgt; er ahnte wohl kaum, daß er der Gegenstand einer so peinlichen Spionage war.
Man dinirte in sehr heiterer Laune. Einige hervorragende Persönlichkeiten der Kolonie, mehrere Officiere mit ihren Damen, zwei oder drei
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