Mathias Sandorf
nicht für verpflichtet halten, Stillschweigen zu beobachten, wenn sein eigener Vortheil es bedingen würde, dasselbe zu brechen.
»Wir werden heute noch wissen, woran wir uns zu halten haben, antwortete der Doctor, und mir soll es schon klar werden, ob Toronthal nichts weiß oder nichts wissen will. Doch da er noch nicht wissen darf, daß er in der Gewalt das Doctors Antekirtt sich befindet, da er ferner nicht wissen darf, daß Peter Bathory noch am Leben ist, so soll Luigi beauftragt werden, ihn auszuforschen.
– Ich stehe ganz zu Diensten, Herr Doctor!« erwiderte der junge Mann.
Luigi begab sich demgemäß in die Festung und wurde in die Kasematte geführt, welche Silas Toronthal zum Gefängnisse diente.
Der Banquier saß in einer Ecke an einem Tische. Er hatte soeben sein Bett verlassen. Sein moralischer Zustand hatte sich augenscheinlich noch nicht sehr gebessert. Er dachte jetzt zwar weder an seinen Ruin, noch an Sarcany. Was ihn weit directer beunruhigte, war, zu wissen, warum und an welchem Orte man ihn gefangen hielt und wer die mächtige Persönlichkeit war, die ein Interesse daran hatte, sich seiner zu bemächtigen. Er wußte nur soweit zu denken, daß er Alles zu fürchten hätte.
Als er Luigi Ferrato sah, erhob er sich; doch auf ein Zeichen, welches dieser ihm gab, setzte er sich unverzüglich wieder. Es entspann sich nun folgendes kurze Verhör während Luigi’s Besuch bei Silas Toronthal.
»Sie sind Silas Toronthal, einstmals Banquier in Triest und haben in der letzten Zeit in Ragusa Ihren Wohnsitz gehabt?
– Ich habe auf diese Frage nichts zu erwidern. Die, welche mich als Gefangenen zurückhalten, müssen wissen, wer ich bin.
– Sie wissen es.
– Wer sind sie?
– Sie werden es später erfahren.
– Und wer sind Sie?
– Ein Mann, der den Auftrag hat, Sie zu fragen.
– Von wem?
– Von denen, welchen Sie Rechenschaft schuldig sind.
– Noch einmal, wer sind dieselben?
– Ich habe es nicht nöthig, es Ihnen zu sagen.
– In diesem Falle habe ich Ihnen auch nichts zu erwidern.
– Es sei! Sie waren in Monte Carlo mit einem Manne zusammen, den Sie schon seit Langem kannten und der seit Ihrer Abreise von Ragusa nicht von Ihrer Seite gewichen ist. Dieser Mann, ein Tripolitaner von Geburt, nennt sich Sarcany. Er ist entkommen, gerade als Sie auf der Landstraße nach Nizza festgenommen wurden. Ich bin beauftragt, Sie zu fragen: Wissen Sie, wo sich gegenwärtig dieser Mann aufhält, und wollen Sie es, wenn Sie es wissen, sagen?«
Silas Toronthal hütete sich wohl, darauf zu antworten. Wenn man wissen wollte, wo Sarcany war, so geschah es offenbar deshalb, um sich Sarcany’s ebenso zu bemächtigen, wie man sich seiner bemächtigt hatte. Zu welchem Zwecke? Gemeinsamer Thaten aus ihrer Vergangenheit wegen und noch genauer ausgedrückt, Dinge wegen, die sich auf die Verschwörung von Triest bezogen? Doch wie sollten diese Vorgänge bekannt geworden sein und welcher Mann konnte ein Interesse daran haben, den Grafen Mathias Sandorf und seine beiden Freunde, die nun schon länger als fünfzehn Jahre todt waren, zu rächen? Das war es, was sich der Banquier zuerst fragte. Jedenfalls war die Annahme gerechtfertigt, daß er nicht dem Spruche einer regelrechten Gerichtsbarkeit unterworfen war, deren Thätigkeit sich auf ihn und seinen Genossen zu erstrecken drohte – was ihn nur noch mehr beunruhigen mußte. Obwohl er nicht daran zweifelte, daß Sarcany nach Tetuan in das Haus Namir’s geflüchtet war, woselbst er seine letzte Partie und in allernächster Zeit spielen wollte, entschloß er sich doch, nichts hierüber zu sagen. Wenn späterhin sein Interesse ihm befahl zu reden, würde er sprechen. Bis dahin war ihm sehr daran gelegen, sich äußerst reservirt zu verhalten.
»Nun?… fragte Luigi, nachdem er dem Banquier Zeit zum Nachdenken gelassen hatte.
– Mein Herr, antwortete Silas Toronthal, ich könnte Ihnen antworten, daß ich weiß, wo Sarcany ist, von dem Sie mir sprechen und daß ich es nicht sagen will. In Wahrheit aber weiß ich wirklich nicht, wo er ist.
– Das ist Ihre einzige Antwort?
– Die einzige und wahre.«
Luigi zog sich hierauf zurück und erstattete dem Doctor Bericht über seine Unterhaltung mit Silas Toronthal. Da die Antwort des Banquiers im Grunde genommen nichts Anstößiges barg, so mußte man damit vorläufig zufrieden sein. Um Sarcany’s Spur wieder aufzufinden, konnte also vorderhand nichts weiter geschehen, als die Nachforschungen zu
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