Mathias Sandorf
vervielfältigen und dabei weder Geld noch Mühen zu sparen.
Während der Doctor auf irgend ein Anzeichen wartete, welches ihm erlaubte, den Feldzug auf’s Neue zu eröffnen, hatte er sich mit Fragen zu beschäftigen, welche die Sicherheit Antekirttas sehr nahe angingen.
Es waren ihm insgeheim Nachrichten aus den afrikanischen Provinzen neuerdings zugegangen. Seine Agenten empfahlen ihm, die Küsten des Golfes der Sidra sorgfältig überwachen zu lassen. Nach ihren Meinungen schien die Genossenschaft der Senusisten
Die »Electrics« erhielten Befehl, im Meere der Syrten zu kreuzen. (S. 473.)
ihre Streitkräfte an der tripolitanischen Grenze sammeln zu wollen. Eine allgemeine Bewegung derselben ging allmählich den Gestaden der Syrten zu. Zwischen dem Großmeister und den verschiedenen Zauyias Nord-Afrikas fand ein Austausch von Meldungen mittelst reitender Boten statt. Aus dem Auslande anlangende Waffen wurden für Rechnung der Brüderschaft geliefert und ausgehändigt. Ein Zusammenziehen von Mannschaften vollzog sich ganz offenbar in dem Vilajet von Ben-Ghazi, also in der nächsten Nachbarschaft Antekirttas.
Zur Abwendung einer Gefahr, welche bedenklich werden konnte, mußte der Doctor alle Maßnahmen treffen, welche die Klugheit gebot. Während der drei letzten Wochen des Octobers unterstützten ihn Peter und Luigi wacker bei diesem Werke und auch alle Kolonisten standen ihm hilfreich zur Seite. Pointe Pescade wurde mehrfach heimlich an das afrikanische Gestade geschickt, um sich mit den Agenten ins Einvernehmen zu setzen. Es wurde constatirt, daß die Gefahr, welche die Insel bedrohte, nichts weniger als eine imaginäre war. Die Piraten von Ben-Ghazi, unterstützt durch eine vollkommene Mobilisirung der Bundesbrüder der ganzen Provinz, bereiteten eine Expedition vor, deren Ziel die Insel Antekirtta war. Stand diese Expedition nahe bevor? Darüber war nichts zu erfahren. Jedenfalls befanden sich die Senusistenführer noch in ihren südlichen Vilajets, und es war mehr als wahrscheinlich, daß keine wichtige Unternehmung ohne ihre persönliche Leitung zur Ausführung gebracht würde. Deshalb hatten auch die »Electrics« den Befehl erhalten, in den Gewässern des Meeres der Syrten zu kreuzen, um sowohl die Küsten der Cyrrhenäischen Halbinsel und von Tripolis, und auch das Gestade von Tunesien bis zum Kap Bon zu beobachten.
Das Eiland bildete eine Gefahr für die Insel. (S. 474.)
Die Vorbereitungen zur Vertheidigung der Insel waren, wie man weiß, noch nicht beendet. Wenn es auch nicht möglich sie in absehbarer Zeit zu Ende zu führen, so waren doch wenigstens Vorräthe an Munition jeder Gattung in dem Arsenale von Antekirtta überaus reichlich vorhanden.
Antekirtta, welches von den Küsten der Cyrrhenäischen Halbinsel an zwanzig Meilen entfernt liegt, wäre vollständig isolirt im Innern dieses Golfes, wenn nicht ein Eiland, bekannt unter dem Namen Eiland Kencraf, welches ungefähr dreihundert Meter im Umkreise mißt, zwei Meilen von seiner südöstlichen Spitze auftauchen würde. Dieses Eiland sollte nach des Doctors Idee als Deportationsort dienen, wenn jemals ein Kolonist diese Strafe verdiente; diese Verbannung würde dann von dem regulären Gerichtshofe der Insel über den Betreffenden verhängt werden – ein Fall, der sich aber bis dahin noch nicht ereignet hatte. Zu diesem Zwecke waren auf dem Eilande einige Baracken aufgeführt worden.
Das Eiland Kencraf war aber durchaus unbefestigt, und falls eine feindliche Flotte Antekirtta angriff, bildete es lediglich durch seine Lage eine Gefahr für die Insel. Es genügte, dort zu landen, um aus dem Eilande eine solide Operationsbasis zu machen. Neben der Bequemlichkeit, die es als Niederlage von Lebensmitteln und Munition bot und neben der Möglichkeit, eine Batterie dort zu errichten, konnte es für die Belagerer ein sehr ernsthafter Stützpunkt werden; es wäre weit besser gewesen, es hätte nicht existirt, da die Zeit fehlte, es in Vertheidigungszustand zu setzen.
Die Lage des Eilandes Kencraf und die Vortheile, welche ein Feind aus ihm gegen Antekirtta ziehen konnte, beunruhigten den Doctor unablässig. Nachdem er Alles reiflich erwogen hatte, entschloß er sich, es zu zerstören, zu gleicher Zeit aber diese Sprengung mit der Vernichtung von einigen hundert Seeräubern, die vielleicht die Kühnheit haben würden, sich auf Kencraf festzusetzen, zu verbinden.
Dieser Plan gelangte zur sofortigen Ausführung. Durch vollständige
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