Mathias Sandorf
auch nicht zu thun. Diesem handgreiflichen Beweise gegenüber konnte nichts gesagt werden. Da die Anwendung dieses Gitters ein Lesen der Geheimschrift des Billets gestattete, so war auch das letztere unbestreitbar von den Angeklagten in Empfang genommen worden.
Diese begriffen nun, wie das Geheimniß entdeckt werden konnte und auf welcher Grundlage die Anklage beruhte.
Von diesem Augenblicke an folgten Fragen und Antworten kurz und bündig auf einander.
Graf Sandorf konnte nicht mehr leugnen. Er sprach also im Namen seiner Freunde. Eine Bewegung war von ihnen vorbereitet worden, welche die Trennung Ungarns und Oesterreichs, ferner die Wiederaufrichtung des selbstständigen Königreiches der alten Magyaren herbeiführen sollte. Wenn ihre Verhaftung nicht erfolgt wäre, so würde der Ausbruch derselben unmittelbar erfolgt sein und Ungarn hätte seine Unabhängigkeit wieder gewonnen. Mathias Sandorf stellte sich als das Oberhaupt der Verschwörung hin und wollte seinen Mitangeklagten nur eine zweite Rolle in derselben zugewiesen wissen. Aber diese widersprachen den Worten des Grafen und wollten mit der Ehre, seine Mitschuldigen gewesen zu sein, auch die Ehre eines gemeinsamen Schicksals verbunden sehen.
Die Debatte konnte sich nicht mehr sehr in die Länge ziehen. Als der Vorsitzende die Angeklagten um ihre auswärtigen Verbindungen befragte, verweigerten sie jede Auskunft. Nicht ein Name wurde genannt, nicht ein einziger sollte genannt werden.
»Unsere drei Köpfe gehören Ihnen und diese mögen Ihnen genügen,« antwortete Graf Sandorf gelassen.
Nur drei Köpfe, denn Graf Sandorf bemühte sich gleich darauf, Sarcany als unschuldig hinzustellen, der als junger Buchhalter in das Haus Ladislaus Zathmar’s vom Banquier Silas Toronthal gesandt worden war…
Sarcany konnte nicht anders, als die Aussage des Grafen Sandorf bestätigen. Er wußte nichts von einer Verschwörung. Er war vielleicht am meisten durch die Neuigkeit überrascht worden, daß in dieser friedlichen Wohnung am Acquedotto ein Complot gegen die Sicherheit des Staates geschmiedet wurde. Er hätte darum nicht gegen seine Verhaftung Verwahrung eingelegt, weil er anfangs gar nicht gewußt, um was es sich eigentlich handelte.
Weder Graf Sandorf noch ihm machte es viele Mühe, die Situation dahin klar zu stellen und wahrscheinlich hatte das Kriegsgericht auch bereits in dieser Richtung seinen Entschluß gefaßt. Denn die gegen Sarcany erhobene Anklage wurde auf Antrag des Berichterstatters alsbald fallen gelassen.
Gegen zwei Uhr Nachmittags waren die Verhandlungen beendet und nach sofort abgehaltener Berathung wurde das Urtheil verkündet.
Graf Mathias Sandorf, Graf Ladislaus Zathmar und Professor Bathory wurden wegen Hochverrathes gegen den Staat zum Tode verurtheilt.
Die Verurtheilten sollten auf dem Hofe der Festung selbst erschossen, das Urtheil innerhalb achtundvierzig Stunden vollzogen werden.
Sarcany wurde in der Hauptsache von der Anklage freigesprochen, er sollte indessen im Kerker verbleiben bis zur Einsammlung der Gefangenenliste, was erst nach vollzogener Execution geschehen konnte.
Derselbe Urtheilsspruch verkündete auch die Einziehung aller Besitzthümer der drei Angeklagten.
Man führte dann Sandorf, Zathmar und Bathory in das Gefängniß zurück.
Sarcany wurde in eine Zelle geführt, welche im Hintergrunde eines länglich runden Ganges in dem zweiten Stockwerke des Wartthurmes gelegen war. Graf Sandorf und seine beiden Freunde wurden während der letzten Stunden ihres Lebens in einer ziemlich geräumigen Zelle eingekerkert, welche in demselben Stockwerke und genau am äußersten Ende der längsten Axe der Ellipse lag, welche der Corridor bildete. Jetzt war die Einzelhaft aufgehoben, die Verurtheilten sollten bis zu ihrer Hinrichtung beisammen bleiben.
Diese Begünstigung wurde ihr Trost, ihre Freude, als sie wieder allein, als es ihnen unbenommen war, ihrer inneren Bewegung freien Lauf zu lassen. Hatten sie sich vor den Richtern standhaft gezeigt, so machte sich jetzt die Reaction bei ihnen geltend und hier öffneten sie, der lästigen Zeugen ledig, ihre Arme und drückten sich gegenseitig an die Brust.
»Freunde, sagte Graf Sandorf, ich bin es, der Euren Tod herbeiführt. Aber ich brauche Euch nicht um Verzeihung zu bitten, denn es handelte sich um die Unabhängigkeit Ungarns. Unsere Sache war eine gerechte. Sie zu vertheidigen, heischte die Pflicht. Es wird eine Ehre sein, für sie zu sterben!
– Mathias, antwortete Stephan
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