Mathias Sandorf
Gewitterwolken öffneten sich zu einem heftigen Platzregen. In den Regen mischten sich große Schlossen, welche die Gewässer der Foïba peitschten und auf die umliegenden Felsen niederprasselten. Das Gewehrfeuer aus den Schießscharten des Wartthurmes hatte aufgehört. Wozu auch so viel Pulver verschwenden? Die Foïba konnte doch nur die Leichname wiedergeben, wenn sie es überhaupt that.
Kaum war Graf Sandorf in den Strudel untergetaucht, so fühlte er sich auch schon mit unwiderstehlicher Kraft in den Buco hinein gezogen. In wenigen Augenblicken verwandelte sich vor ihm das intensive Licht des mit Elektricität gefüllten Abgrundes in vollständige Dunkelheit. Das Rauschen des Wassers hatte das Krachen des Donners abgelöst. Die unerforschliche Höhle versperrte jedem von außen kommenden Geräusche und Lichte den Weg.
»Hierher!«
Dieser Ruf wurde vernehmbar. Stephan Bathory hatte ihn ausgestoßen. Die Kälte des Wassers hatte ihm die Besinnung wiedergegeben, aber er vermochte sich nicht auf der Oberfläche zu erhalten, und er wäre wieder untergetaucht, wenn nicht ein kräftiger Arm ihn in dem Augenblicke, als er schon verschwand, ergriffen hätte.
»Ich bin hier, Stephan, fürchte nichts!«
Graf Sandorf unterstützte ihn mit der einen Hand, indem er sich dicht an den Genossen drängte, und versuchte mit Hilfe der anderen zu schwimmen.
Ihre Lage war eine äußerst kritische. Stephan Bathory konnte kaum seine Glieder rühren, die von dem elektrischen Strome fast gelähmt worden waren. Wenn auch die Brandwunden an seinen Händen durch die Berührung mit dem kalten Wasser für den Augenblick sich weniger fühlbar machten, so erlaubte doch der Zustand der Unbeholfenheit, in welchem er sich augenblicklich befand, eine Benützung derselben nicht. Nur einen Augenblick brauchte ihn Graf Sandorf loszulassen und er sank sofort unter, und dabei hatte dieser genug mit sich selbst zu thun, um sich zu retten.
Dann peinigte ihn die völlige Ungewißheit über die Richtung, welche die Strömung nahm; er konnte weder wissen, in welchen Theil des Landes sie führte, noch ob sie sich in das Meer oder in einen anderen Fluß ergoß. Selbst wenn Mathias Sandorf gewußt hätte, daß dieser Bach die Foïba war, so wäre er um nichts gebessert gewesen, weil man eben den Lauf ihrer reißenden Gewässer nicht kennt. Geschlossene Flaschen, die man am Eingange zur Höhle in das Wasser geworfen hatte, waren nie wieder in irgend einem Flusse der istrischen Halbinsel zum Vorschein gekommen, mochten sie nun bei ihrem Durchschwimmen der düsteren Unterwelt zerschmettert oder von den flüssigen Massen in ein Loch der Erdrinde hineingeschleudert worden sein.
Die Flüchtlinge wurden mit rasender Schnelligkeit davongeführt, welcher Umstand es ihnen leichter machte, sich auf der Oberfläche des Wassers zu halten. Stephan Bathory war vollständig bewußtlos und in den Händen Sandorf’s nur ein unthätiger Körper. Dieser mühte sich für Beide ab, aber er fühlte, daß seine Kräfte nachließen. Der Gefahr, gegen einen Felsenvorsprung an den Seitenwänden der Höhle oder an die herabhängenden Wölbungen geschleudert zu werden, gesellte sich eine noch größere hinzu: in einen der zahlreichen Trichter gezogen zu werden, welche das Kielwasser dort bildete, wo ein jähes Abprallen von der Wand die regelmäßige Strömung brach und einengte. Wohl zwanzig Male fühlte sich Graf Sandorf mit seinem Gefährten von diesen flüssigen Saugrüsseln ergriffen, die ihn mit maëlstromartiger Gewalt an sich zogen. In den Mittelpunkt einer kreisförmigen Bewegung verflochten, dann zurückgeworfen an die Peripherie des Wirbels, wie der Stein im Zipfel einer Schleuder, kamen sie gerade aus der Drehung, wenn der Strudel sich brach.
Eine halbe Stunde dauerte dieser Kampf mit dem in jeder Minute, ja in jeder Secunde nahen Tode. Mathias Sandorf, mit einer fast übermenschlichen Willensstärke begabt, war noch nicht mit seiner Kraft zu Ende. Fast pries er sich glücklich, daß Bathory ohnmächtig war. Wenn dieser jetzt den Instinct der Selbsterhaltung gefühlt hätte, würde er sich gesträubt haben. Es würde einen Kampf gekostet haben, um ihn wieder willenlos zu machen. Graf Sandorf hätte ihn entweder verlassen müssen, oder sie wären Beide untergesunken.
Die jetzige Lage durfte aber nicht mehr lange andauern. Die Kräfte von Mathias Sandorf begannen fühlbar nachzulassen. Oftmals tauchte sein Kopf in die Wassermasse, während er sich bemühte, denjenigen
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