Mathias Sandorf
Bathory.
Mathias Sandorf antwortete nicht. Was hätte er auf diese Frage auch erwidern können? Ladislaus Zathmar hatte man die Möglichkeit genommen, entfliehen zu können, nachdem es ihm noch gelungen war, den Warnruf zum Fenster hinaus zu schreien. Jetzt, wo er gewiß nicht unbeobachtet gelassen wurde, konnten seine Freunde nichts für ihn thun.
Stephan Bathory hatte inzwischen wieder den Kopf zurücksinken lassen. Die körperliche Willensstärke ging ihm noch ab, um mit ihrer Hilfe die Lähmung zu überwinden. Doch Mathias Sandorf wachte über ihn, zu Allem bereit, selbst entschlossen, den Baum zu verlassen, wenn er an einem der Hindernisse zerschellte, an denen er in Folge der vollständigen Finsterniß nicht glatt vorüberkommen konnte.
Es war gegen zwei Uhr Morgens, als die Schnelligkeit des Stromes, folglich auch diejenige des Baumstammes, fühlbar nachließ. Der Canal verbreiterte sich jedenfalls und die Fluth, die nun einen freieren Pfad zwischen den Felswänden fand, nahm einen gemäßigteren Lauf an. Man konnte aus diesem Umstande auch den Schluß ziehen, daß der Ausgang aus dieser unterirdischen Höhle nicht mehr sehr entfernt sein konnte.
Während aber die Seitenwände auseinander strebten, zeigte die Wölbung die Neigung, sich zu senken. Graf Sandorf konnte, wenn er die Hand hoch hielt, die unregelmäßigen Schieferbildungen abbrechen, welche oberhalb seines Kopfes herabstrebten. Ab und zu hörte er auch ein von Reibungen herstammendes Geräusch; es rührte von irgend einer Wurzel des Baumes her, die sich nach oben gedreht hatte und mit ihrem Ende die Wölbung streifte. In Folge dessen erhielt der Baumstamm heftige Stöße, er prallte zurück und seine Schnelligkeit verminderte sich. Von rückwärts erfaßt und um sich selbst rollend, wurde er so umher gewirbelt, daß die Flüchtigen fürchten konnten, von ihm getrennt zu werden.
Nachdem diese Gefahr, die sich wiederholt gezeigt hatte, als beseitigt betrachtet werden konnte, blieb eine andere noch, deren Folgen der Graf kaltblütig zog: es war diejenige, welche aus dem beständigen Niedrigerwerden der Decke des Buco entstehen konnte. Er hatte sich ihr bereits nur dadurch entziehen gekonnt, daß er sich schnell nach hinten überbeugte, sobald seine Hand einen Felsenvorsprung berührte. Würde es für die Folge nothwendig sein, daß er untertauchte? Er konnte sich schlimmsten Falles auch dann noch festhalten, aber wie sollte er es durchsetzen, seinen Gefährten auf der Achsel weiter zu tragen? Und wenn nun gar der unterirdische Canal auf eine lange Strecke hin sich so verengte, wie würde es dann möglich sein, ihn lebend zu verlassen? Nein, das hätte für den Grafen zweifellos einen endgiltigen Tod bedeutet, nachdem dieser bis dahin den verschiedensten Todesarten glücklich entkommen war.
So energisch Mathias Sandorf auch war, so fühlte er jetzt doch, daß die Angst ihm das Herz zusammenpreßte. Er sah ein, daß der letzte Augenblick nahe war. Die Wurzeln des Baumes rieben sich immer stärker an den Felsen der Höhle und in manchen Augenblicken tauchte ihr oberer Theil so tief unter, daß die sich überstürzenden Wasser ihn vollständig bedeckten.
»Der Ausgang aus dieser Höhle kann indessen jetzt unmöglich noch weit entfernt sein,« sagte Mathias Sandorf zu sich selbst.
Und er versuchte immer wieder zu erforschen, ob nicht irgend ein flüchtiger Schein das Dunkel vor ihm erhellte. Die Nacht mußte um diese Stunde doch schon so weit vorgeschritten sein, daß die Finsterniß draußen nicht mehr undurchdringlich war. Vielleicht erleuchteten auch noch die Blitze den Raum, der sich jenseits des Buco befand? Allein in diesem Falle wäre gewiß etwas Licht in den Canal gedrungen, der für den Abfluß der Foïba nicht mehr ausreichend zu sein drohte.
Nichts von alledem! Stets dieselbe Dunkelheit, dasselbe Gebrüll der Wogen, deren Gischt selbst schwarz blieb.
Stephan Bathory wurde am Arm gepackt.(S. 108.)
Plötzlich ein heftiger Stoß! Der Baumstumpf war mit seinem vorderen Ende an ein mächtiges Felsstück der Wölbung, welches in das Wasser hineinragte, angelaufen. Diese Erschütterung machte ihn sich vollständig überschlagen. Aber Sandorf ließ ihn nicht los. Seine eine Hand klammerte sich verzweiflungsvoll an die Wurzeln, mit der anderen ergriff er gerade noch Bathory, als dieser fortgespült wurde. Dann ließ er sich mit ihm in die Wassermasse hineinziehen, welche sich an der Wölbung brach.
Dieser Vorgang dauerte fast eine
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