Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Minute. Mathias Sandorf hatte das Gefühl, daß er verloren war. Er hielt unbewußt seinen Athem zurück, um sich das Bischen Luft, das noch in seiner Brust haftete, zu erhalten.
    Inmitten der flüssigen Masse empfand er plötzlich, trotzdem seine Augenlider geschlossen waren, den Eindruck eines ziemlich bedeutenden Lichtschimmers Ein Blitz war soeben niedergezüngelt, ihm folgte unmittelbar das Krachen des Donners.
    Endlich Licht!
    Die Foïba war in der That aus dem unterirdischen Canale herausgetreten; ihr fernerer Lauf führte unter freiem Himmel dahin. Welchem Ufer sie zustrebte, in welches Meer sie mündete, das war eine noch immer ungelöste Frage, eine Frage um Tod und Leben.
    Der Baumstamm war wieder an die Oberfläche des Wassers gekommen. Stephan Bathory wurde noch immer von Mathias Sandorf gehalten, der mit einem kräftigen Ruck ihn wieder vor sich auf den Baum hob und seinen Platz wieder hinter ihm einnahm.
     

    Der Fluß lief zwischen zwei hohen Strebemauern dahin. (S. 114.)
     
    Dann blickte er nach vorn, um und über sich.
    Eine dunkle Masse schien stromaufwärts herauf zu dräuen. Es war der ungeheure Felsen des Buco, in welchem sich die unterirdische Höhle öffnete, die den Gewässern der Foïba Durchlaß gewährte. Der Tagesanbruch machte sich bereits durch schwache, am Himmelsraume aufsteigende Lichtreflexe bemerkbar; sie erschienen dem Auge so unbestimmt wie die Nebelflecke, welche man in schönen Winternächten nur mit Mühe erkennen kann. Von Zeit zu Zeit erhellten weißglühende Blitze die unteren Theile des Horizontes inmitten des fortgesetzten, doch schon schwächer gewordenen Grollens des Donners. Das Unwetter entfernte sich oder löste sich allmählich auf, nachdem es die ganze elektrische Materie, die sich in den Lüften angesammelt, aufgezehrt hatte.
    Mathias Sandorf hielt nach links und nach rechts nicht ohne ein lebhaftes Angstgefühl Ausblick. Er konnte bereits bemerken, daß der Fluß zwischen zwei hohen Strebemauern und noch immer mit rasender Schnelligkeit dahinlief.
    Es war also ein reißender Strom, der noch immer die Flüchtlinge in seine Strudel und Wirbel hineintrug. Aber wenigstens dehnte sich wieder der unendliche Raum über sie aus und nicht diese nach unten strebende Wölbung, deren Ausläufer in jedem Augenblicke ihnen den Schädel zu zerschmettern drohten. Doch kein, selbst steiles Ufer zeigte sich ihnen, auf dem sie hätten festen Fuß fassen können, nicht einmal eine Anhöhe, bei welcher sich eine Landung ermöglichen ließ. Zwei hohe Felsenmauern schlossen die schmale Foïba ein; sie zeigte also noch denselben eingeengten Canal mit seinen verticalen Seitenwänden, welche die Wellen glatt gespült hatten, nur die Decke aus Stein fehlte.
    Das letzte Untertauchen hatte die Lebensgeister Stephan Bathory’s wieder entfacht. Seine Hand hatte diejenige Sandorf’s gesucht. Dieser beugte sich über ihn und flüsterte ihm zu:..
    »Gerettet!«.
    Hatte er das Recht, dieses Wort schon jetzt auszusprechen? Gerettet sollten sie sein, und er wußte nicht einmal, weder, wohin sie dieser Fluß führte, welches Land sie durchschwammen, noch, wann sie den Baumstamm würden verlassen können? Seine Willensstärke war aber wieder eine so große geworden, daß er sich auf den Baum schwang und dreimal mit schallender Stimme rief:
    »Gerettet! Gerettet! Gerettet!«
    Wer hätte diesen Ausruf auch hören sollen? Auf diesen steilen Klippen, denen das treibende Erdreich fehlt, deren Bestandtheile Schichten von Schiefer und Feuerstein bilden, wo noch nicht einmal so viel vegetabilische Erde sich vorfindet, daß Gesträuche vorwärts kommen können, hielt sich gewiß kein menschliches Wesen auf. Die Landschaft, die sich hinter den hohen Uferfelsen verbirgt, kann ebenfalls keine Anziehungskraft auf Menschen ausüben. Es ist ein trauriges Stück Erde, welches die Foïba durchfließt, die von ihren granitenen Mauern eingeschlossen wird wie ein Ableitungscanal. Kein Bach speist sie durch seinen Zufluß. Kein Vogel streift über ihre Oberfläche, selbst der Fisch wagt sich nicht in ihre zu unruhigen Gewässer. Hier und dort stiegen unförmige Felsblöcke aus ihr empor, deren vollständig ausgetrockneter Kamm bewies, daß die Heftigkeit dieses Wasserlaufes nur durch ein augenblickliches Anwachsen in Folge der letzten Regengüsse veranlaßt worden war. Zu gewöhnlichen Zeiten war das Bett der Foïba nur dasjenige eines Bergbaches.
    Es stand nicht zu befürchten, daß der Baumstamm gegen eine dieser

Weitere Kostenlose Bücher