Mathias Sandorf
Stephan’s über Wasser zu halten. Der Athem ging ihm plötzlich aus. Er tauchte, glaubte zu ersticken und hatte gegen einen Anfall von Leblosigkeit anzukämpfen. Mehrfach mußte er sogar den Genossen fahren lassen, dessen Kopf dann sofort verschwand; doch stets gelang es ihm noch, ihn wieder zu ergreifen, und Alles das vollzog sich inmitten einer Strömung, die, an manchen schmalen Punkten ihres Bettes zusammengepreßt, mit einem furchtbaren Getöse zerschellte.
Bald fühlte sich Graf Sandorf verloren. Der Körper Stephan Bathory’s entschlüpfte ihm vollends Mit einer letzten Anstrengung versuchte er desselben wieder habhaft zu werden. Er fand ihn nicht mehr und sank nunmehr selbst in dem Wasserschwall des Stromes unter.
Ein heftiger Stoß erschütterte plötzlich seine Schulter. Er streckte instinctiv die Hand aus. Seine Finger schlossen sich um ein Büschel Wurzeln, die in das Wasser hineinhingen. Sie gehörten zu einem Baumstamme, den die Strömung mitgeführt hatte. Mathias Sandorf klammerte sich mit allen Kräften an dieses gestrandete Stück und gelangte wieder an die Oberfläche der Foïba. Während er sich mit der einen Hand an dem Wurzelbusch festhielt, sachte er mit der anderen nach dem Gefährten.
Einige Augenblicke später wurde Stephan Bathory am Arm gepackt und nach einigen mühevollen Versuchen auf den Baumast gezogen, wo jetzt auch Mathias Sandorf Platz nahm. Beide waren für den Augenblick vor der Gefahr des Ertrinkens bewahrt, aber mit dem Schicksale dieses Baumrestes verknüpft, der dem Muthwillen der Stromschnellen im Buco unterworfen war.
Graf Sandorf hatte auf kurze Zeit das Bewußtsein verloren. Seine erste Sorge nach dem Wiedererwachen war, das Heruntergleiten Stephan Bathory’s vom Baumstumpfe zu verhüten. Im Uebermaße der Vorsicht schob er sich noch hinter diesen, so daß er ihn erforderlichen Falles stützen konnte. Seine Stellung ermöglichte es ihm nun, nach vorn zu blicken. Sollte vielleicht ein Schimmer des Tageslichtes in die Höhle dringen, so konnte er ihn sofort bemerken und den Zustand des Wassers auf seinem Laufe stromabwärts beobachten. Aber nichts verrieth, daß man sich nahe einem Ausgange aus diesem räthselhaften Canale befand.
Die Lage der Flüchtlinge war jetzt eine ungleich bessere. Der Baumstamm war wohl an zwölf Fuß lang und seine von dem Wasser getragenen Wurzeln setzten jedem plötzlich sich zeigenden Hindernisse einen Widerstand entgegen. Trotz der Unebenheit auf dem Grunde der Strömung schien ihre Festigkeit den heftigsten Stößen wenigstens gewachsen. Ihre Schnelligkeit konnte wohl auf wenigstens drei Meilen in der Stunde geschätzt werden und war derjenigen der Strömung gleich, die sie mitführte.
Mathias Sandorf hatte seine ganze Kaltblütigkeit wieder gefunden. Er versuchte deshalb, seinen Gefährten, dessen Kopf auf seinen Knien ruhte, wieder ins Leben zurück zu rufen. Er überzeugte sich, daß sein Herz noch immer schlug, doch athmete er kaum. Er beugte sich über seinen Mund, um den Lungen etwas Luft zuzuführen. Vielleicht hatten diese ersten Anzeichen von Scheintod in seinem Organismus noch keine unheilbaren Störungen hervorgerufen.
Stephan Bathory bewegte sich bald darauf ein wenig. Ein ausgeprägteres Athmen entfuhr den Lippen; endlich drangen auch einige Worte aus seinem Munde:
»Meine Frau!… Mein Sohn!… Mathias!«
In diesen Worten war der ganze Werth, den sein Leben für ihn hatte, enthalten.
»Hörst Du mich, Stephan? Hörst Du mich? fragte Graf Sandorf, der schreien mußte, um sich in dem Gebrüll, welches die Strömung in den Wölbungen des Buco verursachte, verständlich zu machen.
– Ja… Ja!… Ich höre Dich!… Sprich!… Sprich!… Deine Hand in die meine!
– Wir befinden uns nicht mehr in unmittelbarer Gefahr, Stephan, erwiderte Graf Sandorf. Ein Baum trägt uns. Wohin? Ich kann es nicht sagen, jedenfalls soll er uns nicht entschlüpfen.
– Und der Thurm, Mathias?
– Wir sind von ihm schon weit entfernt. Man wird glauben, wir hätten den Tod in den Fluthen dieser Höhle gefunden, man wird nicht daran denken, uns zu verfolgen. Wohin sich diese Strömung auch ergießen wird, sei es in das Meer oder in einen Fluß, wir werden ebenfalls dahingelangen, und zwar lebend. Lasse nicht den Muth sinken, Stephan! Ich wache über Dich! Ruhe noch aus und sammle wieder Kräfte, die Du bald gebrauchen wirst. In einigen Stunden werden wir gerettet sein! Wir werden frei sein!
– Und Ladislaus?« murmelte Stephan
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