Mathias Sandorf
ich meinerseits erfahren, wer der Besitzer jener Vergnügungsyacht ist?
– Doctor Antekirtt,« erwiderte der Fremde.
Dann trennten sich die beiden Herren mit einem förmlichen Gruße, während Hochrufe und Beifallklatschen aus der Arena der französischen Akrobaten herüber schallten.
An diesem Abende aß Kap Matifu nicht nur für sein Theil, das heißt für Vier, es blieb noch für mehr als für Einen etwas übrig. Und damit war ein tapferer Genosse Pointe Pescade sehr zufrieden.
Drittes Capitel.
Der Doctor Antekirtt.
Es gibt Leute, deren Ruf die geschwätzige, tausendmündige Fama nicht genug nach allen Richtungen der Windrose ausposaunen kann.
Das war auch der Fall mit dem berühmten Doctor Antekirtt, der soeben im Hafen von Gravosa angelangt war. Seine Ankunft war von einem Vorfalle begleitet gewesen, der auch auf den gewöhnlichsten Reisenden die allgemeine Aufmerksamkeit gelenkt haben würde. Er gehörte nichts weniger als zu den gewöhnlichen Reisenden.
Seit einigen Jahren hatte sich um diesen Doctor Antekirtt in den sagenreichen Ländern des fernen Orients ein wahrer Kranz von Märchen gewunden. In Asien von den Dardanellen bis zum Canal von Suez, in Afrika, von Suez bis an die Grenzen von Tunis, am Rothen Meere, auf arabischem Gebiete wurde sein Name unablässig wiederholt als derjenige eines Mannes, der außergewöhnlich in den Naturwissenschaften bewandert war, als derjenige eines Gnostikers, eines Taleb, dem die geheimsten Regungen des Weltalls bekannt sind. Zu biblischen Zeiten würde man ihn Epiphanes genannt haben. Im Lande des Euphrat würde man ihn als Nachkommen der alten Magier verehrt haben.
Was war an seinem Rufe übertrieben? Alles das, was aus einem alten Magier einen Zauberkünstler machte, Alles, was ihm ein übernatürliches Können zuschrieb. Doctor Antekirtt war nur ein gewöhnlicher Mann wie jeder andere, allerdings ein sehr gebildeter Mann von geradem und kräftigem Geist, mit einem sicheren Urtheil, einer äußerst genauen Denkweise, einem wunderbaren Scharfblick; allen diesen seltenen Eigenschaften waren merkwürdiger Weise auch günstige Umstände stets zu Hilfe gekommen. So hatte er einmal in einer der inneren Provinzen Kleinasiens die gesammte Bevölkerung vor einer bis dahin für ansteckend gehaltenen Krankheit durch ein von ihm erfundenes Radicalmittel bewahrt. Natürlich wurde sein Ruf in Folge des Gelingens dieser Cur ein unerschütterlicher.
Was seine Berühmtheit vor allen Dingen vermehrte, war das Geheimniß, welches seine Person umgab. Woher war er gekommen? Kein Mensch wußte es. Welche Vergangenheit lag hinter ihm? Man wußte hierüber eben so wenig. Niemand konnte sagen, wo und in welchen Verhältnissen er früher gelebt hatte. Man bestätigte lediglich, daß dieser Doctor Antekirtt von der Bevölkerung Kleinasiens und des orientalischen Afrikas geradezu angebetet wurde, daß er dort für einen außerordentlichen Arzt galt, daß das Gerücht von seinen Wundercuren auch bis in die bedeutendsten wissenschaftlichen Kreise Europas gedrungen war und daß er seine Sorgfalt den ärmsten Leuten genau so wie den Reichen und den Paschas dieser Provinzen angedeihen ließ. In den Abendländern dagegen hatte man ihn niemals zu Gesicht bekommen, man kannte sogar seit einigen Jahren nicht einmal seinen eigentlichen Wohnsitz. Daher stammte dieses Bestreben, ihn zu einem geheimnißvollen Weisen aus Hindugeblüt, zu einem übernatürlichen Wesen, das sich übernatürlicher Mittel bediente, zu stempeln.
Wenn auch Doctor Antekirtt seine Kunst selbst bisher noch nicht in den größeren Städten Europas erprobt hatte, das Gerücht von derselben war auch schon bis dahin ihm vorausgedrungen. Obwohl er in Ragusa nur als ein einfacher Reisender – als ein reicher Tourist, der auf seiner Yacht die verschiedenen Punkte des Mittelländischen Meeres zu seinem Vergnügen besucht – angekommen war, so befand sich trotzdem bald sein Name in Aller Mund. In der Erwartung, den Doctor selbst zu Gesicht zu bekommen, zog der Schooner unablässig die Blicke auf sich. Der durch den Muth Kap Matifu’s glücklich vermiedene Unfall that das seinige, die allgemeine Neugierde noch zu vermehren.
Diese Yacht hätte in der That auch dem reichsten, prunkliebendsten Gentleman des Wassersports in Amerika, England und Frankreich Ehre gemacht. Ihre zwei kerzengeraden, nahe dem Mittelpunkte des Schiffes errichteten Maste – wodurch eine bedeutende Entfaltung des Vorstag-und Großsegels ermöglicht wurde – die
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