Mathias Sandorf
Graue
Das Seil wickelt sich langsam ab. (S. 175.)
spielenden, auf orientalische Weise zugeschnittenen Barte. Fragende, große dunkle Augen von einer eigenthümlichen Beweglichkeit belebten sein sonnverbranntes Gesicht, dessen Züge regelmäßig und noch schön zu nennen waren. Was aber von Anfang an auffiel, war der Adel, ja selbst eine Erhabenheit, die seine ganze Erscheinung ausströmte. Seine seemännische Kleidung, in dunkelrothes Beinkleid, eine gleichfarbige Jacke mit gelben Knöpfen, ein schwarzer Gürtel,
Der Fremde streckte dem Athleten die Hand hin. (S. 178.)
der unter der Jacke die Blouse zusammenhielt, sein leichter Hut aus braunem Segeltuch – Alles stand ihm gut und ließ einen kräftigen, herrlich gebauten Körper ahnen, dem das Alter noch nichts anhaben konnte.
Sobald diese Persönlichkeit, in welcher man sogleich einen energischen und vielvermögenden Mann vermuthete, den Fuß auf das Land gesetzt hatte, ging sie auf die beiden Akrobaten zu, welche die Menge umringte und bejubelte.
Man machte dem Fremden ehrerbietig Platz.
Als er vor Kap Matifu angekommen war, zog er nicht etwa gleich die Börse, um ihr eine reichliche Belohnung zu entnehmen. Er streckte dem Athleten die Hand hin und sagte zu ihm auf italienisch:
»Dank, mein Freund, für das, was Ihr gethan habt!«
Kap Matifu schämte sich fast dieser Ehre, die ihm nach seiner Meinung für die verrichtete Kleinigkeit gar nicht zukam.
»Ja, es war schön, es war herrlich, Kap Matifu, fing Pointe Pescade mit dem ganzen Wortschwall provençalischer Beredtsamkeit von Neuem an.
– Ihr seid Franzosen? fragte der Fremde.
– Mehr als das! brüstete sich Pointe Pescade. Wir sind Franzosen aus dem Süden Frankreichs.«
Der Fremde betrachtete sie mit augenscheinlicher Rührung. Ihr Elend stand ihnen zu offenkundig auf der Stirn geschrieben, als daß man sich darüber täuschen konnte. Er hatte sicherlich zwei arme Artisten vor sich, von denen Einer ihm mit Gefahr seines Lebens soeben einen großen Dienst geleistet hatte, denn ein Zusammenstoß der Yacht mit dem Trabocolo hätte unter Umständen zahlreiche Opfer gefordert.
»Besucht mich an Bord! sagte er zu ihnen.
– Und wann, mein Fürst? fragte Pointe Pescade und producirte seine schönste Begrüßung.
– Morgen Mittag um ein Uhr.
– In der ersten Stunde also,« antwortete Pointe Pescade, während Kap Matifu durch einmaliges Nicken mit dem Kopfe sein stummes Einverständniß gab.
Die Menge hatte sich während dieser Unterhaltung von dem Helden dieses Ereignisses nicht entfernt. Sie hätte ihn sicher im Triumphe davongetragen, wenn sein Gewicht nicht die Entschlossensten und Kräftigsten unter ihr zurückgeschreckt hätte.
Pointe Pescade, stets auf dem Posten, glaubte die günstige Stimmung eines so zahlreichen Publicums ausnützen zu müssen. Nachdem der Fremde sich mit einer freundschaftlichen Handbewegung nach dem Quai hin entfernt hatte, schrie er mit seiner spitzen Ausruferstimme:
»Der Kampf zwischen Kap Matifu und Pointe Pescade, meine Herrschaften! Nur näher meine Herren, nur näher! Man zahlt erst nach Schluß der Vorstellung… oder, wenn man will, auch vorher!«
Dieses Mal wurde seine Aufforderung von einem so zahlreichen Publicum befolgt, wie er es wahrscheinlich noch nie zuvor erlebt hatte.
Der Raum um die Arena war zu klein! Man mußte Zuschauer abweisen! Man zahlte sogar das Geld zurück!
Der Fremde sah sich nach einigen in der Richtung nach dem Quai zurückgelegten Schritten dem jungen Mädchen und deren Vater gegenüber, die Zeugen des ganzen Vorganges gewesen waren.
Der junge Mann, der ihnen gefolgt war, hielt sich in einiger Entfernung; der alte Herr hatte seinen Gruß sehr von oben herab erwidert, was der Fremde wohl bemerkte.
Dieser konnte, als er jenen ältlichen Mann sah, eine Bewegung nicht unterdrücken. Seine ganze Gestalt schien vor etwas zurückzubeben, während es aus seinen Augen wie ein Blitz zuckte.
Inzwischen war der Vater des jungen Mädchens an ihn herangetreten und sagte zu ihm:
»Sie sind, Dank dem Muthe dieses Akrobaten, einer sehr großen Gefahr entgangen, mein Herr?
– Allerdings, mein Herr,« antwortete der Fremde, dessen Stimme, zufällig oder nicht, von einer unbesiegbaren Bewegung erzitterte.
Dann sich an den Fragesteller wendend, sagte er:
»Darf ich wissen, mein Herr, mit wem ich augenblicklich die Ehre habe zu sprechen?
– Silas Toronthal aus Ragusa, antwortete der ehemalige Banquier von Triest. Und darf
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