Mathias Sandorf
beschaffen war das Lustfahrzeug, das augenblicklich im Hafen von Gravosa Bewunderung erregte. Pointe Pescade und Kap Matifu, welche am nächsten Tage von Doctor Antekirtt an Bord desselben erwartet wurden, betrachteten es mit eben so viel Neugierde, aber mit etwas größerer Erregung als die Seeleute des Hafens. In ihrer Eigenschaft als Eingeborene des Küstenstriches der Provence besaßen sie, namentlich Pointe Pescade, einen verständnißinnigen Blick für die bewundernswerthe Bauart des Fahrzeuges. Dieses müßige Gassen bildete ihre Beschäftigung noch an demselben Abende.
Pescade und Matifu betrachteten das Schiff mit Neugierde. (S. 183.)
»Ah! machte Kap Matifu.
– Oh! sagte Pointe Pescade.
– He, Pointe Pescade!
– Ich sage ganz dasselbe, Kap Matifu.«
Diese kurzen Ausrufe der Bewunderung besagten in dem Munde dieser beiden armen Akrobaten mehr als lange Reden von den Lippen Anderer.
Die Manöver an Bord der »Savarena«, welche dem Ankerwerfen gefolgt, waren jetzt bereits beendigt; die Segel ruhten gerefft auf ihren Raaen, das Takelwerk hing sorgfältig geordnet an Ort und Stelle, das Zeltdach war zusammengeschoben. Der Schooner zeigte sich in einer Ecke des Hafens verankert, was auf die Absicht eines längeren Aufenthaltes schließen ließ.
Doctor Antekirtt begnügte sich an diesem Abende mit einem Umherschlendern in der Umgebung von Gravosa. Während Silas Toronthal und seine Tochter in ihrem Wagen, der sie auf dem Quai erwartete, nach Ragusa zurückkehrten, während der uns bekannte junge Mann, ohne das Ende der Messe abzuwarten, zu Fuß durch die lange Allee heimkehrte, suchte Doctor Antekirtt in der Nähe des Hafens seiner Bewegung Herr zu werden.
Der Hafen ist einer der besten längs der ganzen Küste und man findet in ihm stets eine ganze Menge Fahrzeuge der verschiedensten Nationalitäten versammelt. Der Doctor ging, nachdem er die Stadt selbst verlassen, an dem Ufer des Golfs von Ombra Fiumera entlang, der sich in einer Länge von zwölf Meilen bis zur Mündung der kleinen Ombra erstreckt, deren Bett tief genug ist, um selbst Schiffe mit starkem Wassergange fast bis an den Fuß des Vlastiza-Gebirgsstockes gelangen zu lassen. Gegen neun Uhr Abends traf
Das Boot legte an Steuerbord an. (S. 188.)
er wieder auf den Molen ein und wohnte der Ankunft des großen Packetdampfers des Lloyd bei, der aus Indien kam; er ließ sich dann wieder an Bord bringen, stieg in sein Zimmer hinunter, das von zwei Lampen erhellt war und blieb dort bis zum frühen Morgen.
Das war so seine Gewohnheit und der Kapitän der »Savarena« – ein Mann in den vierziger Jahren, Namens Narsos – hatte den Befehl erhalten, den Doctor während dieser Stunden einsamer Arbeit niemals zu stören.
Mehr als die große Menge wußten auch die Officiere und die Mannschaft des Schiffes nicht von der Persönlichkeit des Doctors. Nichtsdestoweniger waren sie ihm mit Leib und Seele ergeben. Doctor Antekirtt litt nicht die geringste Störung der Disciplin an Bord, dafür war er auch gütig gegen Alle und sorgte für Alle und schenkte, ohne das Geld anzusehen. Es gab schwerlich einen Matrosen, der nicht gewünscht hätte, seinen Namen in der Liste der »Savarena« zu erblicken. Niemals war ein Verweis zu ertheilen, niemals eine Strafe zu verhängen, nie war eine Ausstoßung von Nöthen. Die Mannschaft des Schooners bildete eine große Familie.
Nach der Heimkehr des Doctors wurden alle Maßregeln für die Nacht getroffen. Die Laternen wurden am Vorder-und Hintertheil des Schiffes aufgehißt, die Wache zog auf, vollkommenes Schweigen herrschte.
Doctor Antekirtt hatte auf einem Divan Platz genommen, der eine Ecke seines Zimmers ausfüllte. Auf einem Tische lagen mehrere Zeitungen, welche sein Diener für ihn in Gravosa gekauft hatte. Der Doctor durchlas sie flüchtig; er überging die großen Artikel und verweilte lieber bei den Tagesneuigkeiten, den Schiffsberichten und den Mittheilungen aus dem gesellschaftlichen Leben der höheren Kreise. Dann warf er die Zeitungen bei Seite. Eine schlaftrunkene Betäubung überfiel ihn. Gegen elf Uhr entkleidete er sich ohne Hilfe des Dieners und legte sich schlafen; es währte indessen noch eine geraume Zeit, bis er entschlummert war.
Wenn man im Stande gewesen wäre, den Gedanken zu lesen, der ihn vornehmlich beschäftigte, so würde man vielleicht erstaunt gewesen sein über seinen Inhalt, welcher lautete:
»Wer mag wohl jener junge Mann gewesen sein, der Silas Toronthal auf
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