Mathias Sandorf
Länge des Bugspriets, das mit zwei Focks angetakelt war, die Kreuzung der viereckigen Segel, welche sie am Fockmast trug, der kühne Schwung ihres Schnabels, die gesammte Auftakelung überhaupt mußte ihr in jedem Wetter eine wunderbare Schnelligkeit verleihen. Der Schooner faßte dreihundertfünfzig Tonnen. Lang und schlank, mit viel Fall-und Ueberschießen und doch breiten Querbalken, mit hinreichendem Tiefgange versehen, so daß ein Kentern nicht zu fürchten war, war der Schooner das, was man ein seetüchtiges Fahrzeug nennt; er gehorchte leicht der Hand des Steuermannes und konnte den Wind zu vier Vierteln klemmen. Bei Backstagswind und kräftiger Brise hinderte ihn nichts, mit Leichtigkeit seine dreizehn und einen halben Knoten in der Stunde zurückzulegen. Die »Boadicäas«, »Gaetanas« und »Mordons« der Vereinigten Staaten würden ihm in einem internationalen Match kaum Stange gehalten haben.
Die Sauberkeit und Schönheit im Aeußeren wie im Inneren der Yacht konnte sich selbst der peinlich eigenste Seemann nicht besser wünschen. Das Deck aus kanadischem Sandelholze schimmerte in blendender Weiße und zeigte keinen einzigen Ast, die inneren, sein abgehobelten Wände, die Kapotten und Luken waren aus Teakholz hergestellt, die kupfernen Beschläge funkelten wie Gold; die ausgelegte Arbeit am Steuerrade, die Anordnung der Maste unter ihren blitzend weißen Ueberzügen, das Zierliche der Klüsen, die Hißtaue, die Hängeschoten und das laufende Takelwerk, dessen Farbe im Ton ausgezeichnet harmonirte mit dem galvanisirten Eisen der Stags, die Wandtaue und Pardunen, der Schnitt der gefirnißten Aushilfsboote, welche graziös in ihren Ständern hingen, das glänzende Schwarz des ganzen Rumpfes, unterbrochen von einem einfachen goldenen Bande, das vom Vordersteven zum Hintertheil führte, das Maßvolle in den Zierrathen hierselbst – alles das an dem Fahrzeuge bewies einen ausgesuchten Geschmack und äußerste Eleganz.
Es ist durchaus nothwendig, daß wir die Yacht, wie von außen, auch von innen kennen lernen, denn sie bildete die schwimmende Behausung jener mysteriösen Persönlichkeit, welche der Held dieser Geschichte werden soll. Der Besuch der Yacht stand keineswegs frei. Der Erzähler aber besitzt bekanntlich die Gabe des zweiten Gesichtes, die ihm sogar das zu beschreiben erlaubt, was er nie mit seinen leiblichen Augen erschaut hat.
Der Luxus wetteiferte mit dem Comfort im Innern des Schiffes. Die Salons und Cabinen, der Speisesaal waren mit Malereien und kostbaren Decorationen geschmückt. Die Tapeten, Teppiche, Alles, was zu einer Ausstattung gehört, war genial den Erfordernissen einer Vergnügungsyacht angepaßt. Dieses so ausgezeichnet durchgeführte System der Verschmelzung des Nützlichen mit dem Angenehmen fand sich nicht nur in den Zimmern des Kapitäns und der Officiere vor, sondern auch in der Wirthschaftscabine, wo das silberne und Porzellangeschirr gegen das Stampfen und Rollen des Schiffes gesichert war, in der Küche, in welcher eine holländische Sauberkeit herrschte, und in dem Raume, wo die Hängematten der Mannschaft nach Gefallen hin und her schaukelten. Die Bemannung, aus zwanzig Köpfen bestehend, trug die kleidsame Tracht der Malteser Seeleute, kurzes Beinkleid, Wasserstiefel, gestreiftes Hemd, braunen Gurt, rothen Fez und Matrosenkittel, auf dem mit weißen Buchstaben die Namen der Yacht und ihres Eigenthümers eingenäht waren.
Doch in welchen Hafen mochte diese Yacht wohl gehören? In welcher Schiffsliste wurde sie angeführt? In welchem an das Mittelmeer grenzenden Lande pflegte sie ihr Winterquartier zu nehmen? Welches war ihre Nationalität? Man wußte hierauf eben so wenig eine Antwort, wie auf die Frage nach der Persönlichkeit des Doctors selbst. Eine grüne Flagge mit einem rothen Kreuz an der inneren Kante, welches fast die ganze Höhe des Tuches selbst erreichte, flatterte an der Gabel. Man hätte diese Zusammenstellung vergeblich in der endlosen Reihe der Flaggen gesucht, die man auf allen Meeren der Welt findet.
Die Schiffspapiere waren jedenfalls, bevor noch der Doctor Antekirtt das Land betreten hatte, dem Hafenofficier eingehändigt worden und dieser mußte sie wohl in Ordnung befunden haben, da man nach dem Besuche der Sanitätsbehörde die Besatzung ungehindert schalten und walten ließ.
Der Name des Schiffes stand mit kleinen goldenen Buchstaben ohne Angabe des heimatlichen Hafens auf dem Spiegel der Yacht verzeichnet; sie hieß die »Savarena«.
So
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