Mathias Sandorf
unterlegen, wenn nicht ein Unbekannter, nein, ein Freund des Professors Bathory Ihnen zu Hilfe gekommen wäre. Ich würde Ihnen nie davon gesprochen haben, wenn Ihr alter Diener mich nicht über das Verlangen aufgeklärt hätte, dem zu Folge Sie mich sprechen wollten.
– Allerdings, Herr Doctor, erwiderte Frau Bathory. Bin ich dem Herrn Doctor Antekirtt nicht Dank schuldig?
– Und warum, gnädige Frau? weil vor fünf oder sechs Jahren zum Gedächtniß der Freundschaft, welche den Grafen Sandorf und seine Gefährten verband und zur Unterstützung Ihres Werkes, dieser Doctor Antekirtt Ihnen eine Summe von hunderttausend Gulden zukommen ließ? War er nicht überglücklich, Ihnen dieses Geld zur Verfügung stellen zu können? Nein, gnädige Frau, ich habe Ihnen zu danken, daß Sie die Summe von mir annahmen, daß ich der Witwe und dem Sohne Stephan Bathory’s zu Hilfe kommen durfte.«
Die Witwe verneigte sich und sagte:
»Welchem Beweggrunde auch immer Ihre Großmuth entsprungen sein mag, ich muß Ihnen meine Erkenntlichkeit bezeugen. Das war auch der Grund, weshalb ich Ihnen einen Besuch abstatten wollte. Der zweite aber…
– Was für einer ist das?
– War, Ihnen dieses Geld zurückzuerstatten…
– Mir, gnädige Frau? rief der Doctor betroffen, Sie haben die Summe nicht von mir angenommen?
– Ich habe nicht geglaubt, das Recht zu haben, über dieselbe verfügen zu können. Herr Doctor. Ich kannte keinen Doctor Antekirtt. Ich hatte nicht einmal bis dahin seinen Namen vernommen. Dieses Geld konnte ein Almosen derer sein, die mein Gatte bekämpft hatte und deren Mitleid mir hassenswerth erschien. Deshalb habe ich nicht gewagt, es anzugreifen, nicht einmal zu dem Zwecke, für den der Doctor Antekirtt es bestimmt hatte.
– Das Geld also…
– Ist unberührt.
– Und Ihr Sohn?
– Mein Sohn soll Alles nur sich selbst zu verdanken haben…
– Und seiner Mutter,« ergänzte der Doctor; so viel Seelengröße und Charakterstärke mußten seine Bewunderung wachrufen und seine Achtung vor der Matrone erhöhen.
Inzwischen war Frau Bathory aufgestanden und hatte aus einem verschlossenen Schranke ein Packet Banknoten geholt, welches sie dem Doctor hinhielt.
»Ich bitte, Herr Doctor, sagte sie zu ihm, nehmen Sie das Geld zurück, denn es gehört Ihnen und empfangen Sie dieselben herzlichen Danksagungen einer Mutter, als wenn das Geld zur Erziehung ihres Sohnes benützt worden wäre.
– Das Geld gehört mir nicht mehr, gnädige Frau, antwortete der Doctor mit abweisender Geberde.
– Ich wiederhole Ihnen, daß es mir nie gehören durfte!
– Wenn aber Peter Bathory Gebrauch davon machen könnte…
– Mein Sohn wird eine Stellung finden, die seiner würdig ist, und ich würde dann auf ihn rechnen können, wie er auf mich gerechnet hat.
– Er wird das nicht zurückweisen, was ein Freund seines Vaters ihn anzunehmen bittet.
– Er wird es!
– Gestatten Sie mir wenigstens den Versuch, gnädige Frau?
– Ich bitte Sie, in dieser Hinsicht nichts zu unternehmen, Herr Doctor, antwortete Frau Bathory. Mein Sohn weiß nicht einmal, daß ich das Geld erhalten habe, und ich wünsche auch, daß er es nie erfährt.
– Es sei! Ich verstehe die Beweggründe Ihrer Handlungsweise, da ich Ihnen nur ein Unbekannter war und bin. Ja, ich begreife und bewundere sie. Ich wiederhole Ihnen aber trotzdem, daß das Geld, wenn es Ihnen nicht gehört, auch mir nicht gehört.«
Doctor Antekirtt erhob sich. Die Weigerung der Frau Bathory hatte nichts ihn persönlich Verletzendes. Dieses Zartgefühl mußte in ihm die höchste Achtung wachrufen. Er verneigte sich vor der Witwe und wollte sich entfernen, als eine Frage der Frau Bathory ihn noch zurückhielt:
»Sie haben mir von einer ehrlosen Handlung gesprochen, Herr Doctor, welche den Tod Ladislaus Zathmar’s, Stephan Bathory’s und des Grafen Sandorf veranlaßt hat?
– Ich habe Ihnen den wahren Sachverhalt erzählt, gnädige Frau.
– Und Niemand kennt die Verräther?
– O doch, gnädige Frau.
– Wer ist es?
– Gott!«
Doctor Antekirtt verneigte sich noch einmal und ging.
Frau Bathory blieb in Nachdenken versunken zurück. Durch eine geheime Sympathie, von der sie sich vielleicht nicht einmal Rechenschaft ablegen konnte, fühlte sie sich unwiderstehlich zu der geheimnißvollen Persönlichkeit hingezogen, welche sich in die intimsten Geschehnisse ihres Lebens eingemischt hatte. Würde sie ihn jemals wiedersehen und würde er nun nicht wieder in See gehen, nachdem
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