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Mathilde Möhring

Mathilde Möhring

Titel: Mathilde Möhring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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in teure Lokale gehn und nicht einmal die Tochter der Luft sehn. Wir sind nun verlobt, und ich bin glücklich, einen so guten und einen so hübschen Mann zu haben, und bin sicher, daß ihn mir viele nicht gönnen, die Rätin unten gewiß nicht und die Frau Leutnant Petermann auch nicht. Das sind neidische alte Weiber. Und das schöne blonde Frauenzimmer unten mit der Spitzhaube sieht mich auch immer so an. Nu, Neid macht glücklich, und ich bin es. Aber Stillstand ist Rückschritt, sagte mein Vater das Jahr vor seinem Tode, als er keine Weihnachtszulage gekriegt hatte.«
    »Du hast ganz recht«, unterbrach Hugo.
    »Freilich hab ich recht. Aber du sagst das nur, weil du nicht weiter zuhören willst. Ich weiß das. All so was, was doch schließlich wichtiger ist als Kosinsky, womit ich aber nichts gegen unsren Schiller gesagt haben will, all so was hörst du nicht gern, es soll alles bloß hübsch aussehn und glattgehn und bequem sein. Nu gewiß, Bequemlichkeit ist immer das bequemste, versteht sich, und ich kann dir sagen, wenn früher die Herren um sieben ihren Kaffee wollten, und einen hatten wir, der war schon immer um Klock sechse auf, und ich mußte dann raus und Kien spalten und mit einem Tuch übern Kopf zu Bäcker Pfannschmidt, um die Semmeln zu holen, ich kann dir sagen, da hätt ich mich auch lieber noch mal rumgedreht und das Kissen übers Kinn gezogen, denn es war ein bitterkalter Winter, und ich bibberte man so...«
    »Na, Thilde, das is nu vorbei.«
    »Ja, das sagst du so hin, vorbei. Was heißt vorbei. Verlobt sind wir, das heißt also, wir wollen doch mal heiraten und in eine christliche Ehe eintreten. Darum muß ich bitten. Komme mir nicht so mit so bloß drüberhin. Dafür bin ich nicht. Alles muß sein Vergnügen haben, aber auch seinen Ernst. Und der Ernst kommt erst. Und da wir doch nicht als Herr und Frau Student oder Kandidat, was eigentlich dasselbe ist, durch die Welt gehen können, schon deshalb nicht, weil, wer kein Amt und keinen Dienst hat, auch kein dienstliches Einkommen hat, was wir doch haben müssen, wenn wir leben wollen und eine Familie bilden wollen...«
    »Ach, Thilde, das ist ja noch weit hin...«
    »... Also leben wollen, so mußt du für das sorgen, was zum Leben nötig ist, das heißt, du mußt nun endlich dein Examen machen und nicht immer die Bücher beiseite schieben und die ›Gespenster‹ lesen, was übrigens, wie es sein Titel schon ausdrückt, ein greuliches Stück ist. Dein Examen machen, sag ich, je eher, je lieber. Und von morgen ab wird angefangen...«
    »Aber wie denn?«
    »Ganz einfach. Statt an die Reichshallen und die Tochter der Luft zu denken, denkst du an dein Repetitorium, was du während deiner Krankheit ganz vergessen hast, und schon vorher war es auch nicht viel, und du bezahltest bloß und gingst spazieren. Aber nun mußt du wirklich hingehn. Und abends, ihr habt da ja solche Fragehefte mit beigeschriebner Antwort, was ich alles auf deinem Stehpult habe liegen sehn, abends kommst du zu Mutter und mir herüber und kannst dich auch auf die Chaiselongue legen, wenn es dir paßt, und dich mit deiner alten Reisedecke, mit dem Löwen drauf, zudecken. Und wenn du so daliegst, werd ich dir die Künste abfragen und nicht eher ruhen, als bis du mir Red und Antwort stehen kannst und alles ganz genau weißt wie am Schnürchen.«
    »Aber Thilde.«
    »Verlaß dich drauf. Wenn es was werden soll, so kommst du und legst dich hin oder kannst auch sitzen bleiben, und ich frage dich. Und heute abend, wenn dir so sehr daran liegt, kannst du noch mal die ›Tochter der Luft‹ sehn. Aber
ich
gehe nicht mit, ich habe vorläufig keinen Sinn für dergleichen, und morgen abend fangen wir an.«
     

Elftes Kapitel
     
    Hugo wußte nicht recht, ob er froh oder verstimmt sein sollte. So schwach war er nicht, um nicht einzusehn, daß Thilde mit ihm machte, was sie lustig war, und so uneinsichtig war er nicht, daß er das sehr Unheldische seiner Situation nicht herausgefühlt hätte. Ja, das hätte nicht sein sollen. Aber das waren nur kurze Anwandlungen, eigentlich war er froh, daß jemand da war, der ihn nach links oder rechts dirigierte, wie's grade paßte. Daß es gut gemeint war und daß er dabei vorwärtskam, empfand er jeden Augenblick, und was ihm über gelegentliche Mißstimmungen am besten forthalf, war die Beobachtung der Methode, nach der Thilde mit ihm verfuhr. In seinem ästhetischen Sinn, der sich an Finessen erfreuen konnte, sah er mit einem gewissen künstlerischen

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