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Matrjoschka-Jagd

Matrjoschka-Jagd

Titel: Matrjoschka-Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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in die Hand. »Das stammt von der Fassade«, sagte er und wies auf die feinen Farbspuren.
    »Und was tun wir nun? Bucher alarmieren?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, der hat ein Attest. Der muss in der Nacht geschont werden.«
    Der Wirt schaute sie überrascht an.
    »Bucher würde die Botschaft auf dem Papier sofort unterschreiben.«
    »Aber der ist doch auch Polizist. Eigentlich«, begann er und verstummte gleich wieder.
    »Sie glaubten zuerst, dass der Stein für Sie bestimmt war. Warum das?«
    Der Wirt ließ sich auf ihr Bett fallen. »Wir sind der Schandfleck des Dorfes. Wir haben kein Geld für eine Renovierung. Da gibt es sicher einige, die uns weghaben wollen. So schnell wie möglich. Ich hatte immer Angst, dass es einmal so enden könnte. Ich weiß genau, wer dafür betet, dass uns die Bude über dem Kopf zusammenbricht. Aber wo sollen wir hin? Das ist doch unser Zuhause. Zuerst hat meine Frau mir Vorwürfe gemacht, dass ich kein Geld auftreiben konnte. Einige im Dorf haben zu mir gehalten. Ganz am Anfang. Man hat mir gesagt, ich sei noch einer von denen, die ihr Geld ehrlich verdienen. Irgendwann begann sich alles zu verändern. Und genau genommen ist mein Gasthof auch eine Räuberhöhle oder jedenfalls ganz sicher auf dem besten Weg dazu«, lächelte er matt, »mir ist es bewusst und ich möchte es so gerne ändern. Aber meine Frau«, er brach ab. »Kommen Sie, ich bringe Sie in ein anderes Zimmer.«
    »Nein, lassen Sie nur. Ich schließe die Fensterläden, dann geht es schon. Ich schlafe immer bei offenem Fenster.«
    »Sie haben ja Galgenhumor. Aber achten Sie auf die Glassplitter. Ich werde sie morgen früh entfernen.«
    Da erinnerte sie sich wieder. »Zwei Tote hätten wir bis jetzt. Wer wird der dritte sein?«
    Der Wirt schaute sie verständnislos an. »Der dritte?«, wiederholte er. »Warum …?«
    »In diesem Tal scheint man das zu kennen. Drei Tote müssen es sein.«
    Er kratzte sich am Bauch. »Wer sagt das?«
    »Elsi Klopfenstein.«
    Er verzog sein Gesicht. »Ah, die. Ja, die weiß immer mehr als alle anderen.«
    »Sie wissen von keinem Fall, in dem es drei Tote gab.«
    Der Wirt hörte auf zu kratzen und dachte nach. »Nein«, sagte er nach einer Weile. »Dazu fällt mir überhaupt nichts ein. Das muss vor unserer Zeit gewesen sein.«
    »Wie lange sind Sie schon hier?«
    »Lange, viel zu lange.«
    »So ungefähr?«, insistierte sie.
    »Vielleicht 30 Jahre. Vielleicht mehr, vielleicht weniger. Das spielt doch keine Rolle, oder?«
    »Ich glaube, wir versuchen besser, noch zu etwas Schlaf zu kommen.«
    »Mir ist im Moment nicht nach schlafen. Darf ich Ihnen etwas an der Bar anbieten nach diesem Schreck? Einen Schlaftrunk?«
    Nore Brand schüttelte den Kopf. »Nein, lieber nicht.«
    Der Wirt verließ das Zimmer.
    Nore Brand legte sich auf das Bett, schlug die Decke um sich und lag dann lange wach, das Bewusstsein in ständiger Alarmbereitschaft, bevor sie in den Morgenstunden in einen leichten Schlaf fiel.
    Als sie sich um sieben Uhr in der Gaststube hinsetzte, überraschte die Wirtin sie mit frischem Kaffee. »Mein Mann holt frisches Brot. Er ist gleich zurück.« Sie schaute Nore Brand besorgt an. Ihr Gesicht war erschreckend leer, die Haut rot und geschwollen, mit großen Poren; sie hatte noch keine Zeit gehabt, sich Schminke aufzulegen. Vielleicht kümmerte sie das heute Morgen gar nicht.
    »Ich habe von allem nichts gemerkt. Mein Mann hat mir gesagt, dass jemand Sie bedroht.« Sie zeigte auf den Stein, der mitten auf dem Tisch lag, daneben das Stück Papier.
    »Wir haben auch die Stelle gesehen, wo der Stein zuerst hingeworfen wurde. Nicht weit von Ihrem Fenster.«
    Nore Brand goss Milch in den dampfenden Kaffee. Von diesem ersten Aufschlag musste sie erwacht sein.
    »Herr Zoppa wird staunen«, sagte die Wirtin.
    Nore Brand schaute zum Eingang. »Wenn man vom Teufel spricht«, murmelte sie.
    Die Wirtin drehte sich um. »Ah, da sind Sie ja.«
    Nino Zoppa näherte sich mit betretener Miene. »Guten Morgen«, sagte er zögernd, »ich …«
    Die Wirtin entschuldigte sich und eilte davon.
    Nino Zoppa zog vorsichtig einen Stuhl hervor und setzte sich. Er sah übernächtigt aus, hohläugig und unrasiert. Ein paar blonde Stacheln standen von seinem Kinn ab.
    »Dein Handy war nicht an.«
    »Das liegt seit Tagen ungeladen im Auto. Es ist mausetot. Außerdem glaube ich, dass es gar nie richtig funktioniert hat.«
    Nore Brand schaute ihn über den Tassenrand an.
    Nino Zoppa senkte verlegen den Blick.

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