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Matrjoschka-Jagd

Matrjoschka-Jagd

Titel: Matrjoschka-Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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»Ich war rasch zu Hause. Ich dachte, ich wolle schnell bei Mona vorbeischauen und dann war es auf einmal so spät, dass ich keinen Zug mehr hatte.« Er strich über sein Kinn. »Ich wollte mich rasieren, aber Mona hat mich rausgeworfen, damit ich den ersten Zug erwische.«
    »Für mich bist du schön genug.«
    Nino atmete auf. Nore schien froh zu sein, ihn zu sehen. »Ich soll dich grüßen von ihr. Und ich habe ein neues Modem mitgebracht. Ich habe das beste Breitbandmodem gekauft. Die Rechnung geht subito an den Chef und ich kann endlich recherchieren.«
    »Endlich.«
    »In diesem Tal geht nichts, elektronisch, meine ich, sogar die Zeit kommt nicht vom Fleck.«
    »Und jemand profitiert davon.«
    »Ja, es ist wie in einem Alptraum. Man will sich bewegen, vorwärts bewegen, mit aller Kraft, aber es geht nicht. Man quält sich und kämpft. Und dann erwacht man, schweißgebadet, mit rasendem Herzklopfen.«
    »Hast du schlecht geschlafen?«
    »Es geht so. Jemand hat mich sozusagen ausgeladen aus diesem Dorf.« Sie schob ihm den Stein hin.
    Er schaute sie erschrocken an.
    »Vermutlich ein Nachtbubenstreich.«
    Die Wirtin brachte ein paar frische Scheiben Brot.
    »Wenn du meinst. Übrigens hat mich heute Morgen der Chef angerufen. Er war stinksauer. Er versuche schon die längste Zeit, dich zu erreichen. Was uns eigentlich einfalle, die Nase in private Angelegenheiten zu stecken. Er kennt den Direktor vom Militärdienst und sie sind in der gleichen Partei.«
    »Das hat er wirklich so gesagt?«
    »Genau so.«
    Sie schwieg. Diese ungeheure Selbstverständlichkeit, mit der persönliche Beziehungen laufende Verfahren behinderten, war erstaunlich.
    Er machte eine kleine Pause. »Du sollst dich so schnell wie möglich bei ihm melden.«
    Nore Brand lehnte sich zurück und betrachtete sein Gesicht. Das Gebrüll des Chefs schien ihn sehr beeindruckt zu haben.
    »Erst wenn man mir ein anständiges Handy gibt.«
    »Ich kann’s vielleicht reparieren.«
    Nore Brand überging seine Bemerkung. »Was bist du im Militär?«
    »Soldat, einfacher Soldat.«
    »Und? Was hältst du davon?«
    Nino verzog sein Gesicht. »Wir hatten einen ausgezeichneten Koch und gute Gespräche, wenn wir unterwegs waren, auf Fahrten und Märschen, aber die Matratzen könnten besser sein und die Duschen und Toiletten …«
    »Ich habe dich nach dem Militär gefragt und nicht nach deinen letzten Ferien.«
    Er grinste.
    Nino könnte eines Tages in die Fußstapfen von Bastian Bärfuss treten, dachte Nore Brand, Bärfuss hätte auch so geantwortet.
    Soldaten verfilzten nicht so rasch. Vom Elitefilz blieben sie mit Sicherheit lebenslänglich ausgeschlossen. Bastian Bärfuss war auch Soldat gewesen und parteilos; vielleicht gehörte er aus diesem Grund nicht zum Dunstkreis des Chefs. Es musste aber auch der Grund dafür gewesen sein, dass seine Karriere nie in Schwung gekommen war. Möglicherweise war das nie seine Absicht gewesen. Aber wiederholtes kollegiales Schulterklopfen hatte schon viele Absichten zurechtgebogen und die Nähe, die diese Schulterklopfereien erlaubte, entstand in politischen Parteien und in der Armee. Und in Studentenverbindungen.
    Wer davon profitierte, nannte es ›gute Beziehungen‹, wer nichts davon hatte, nannte es ›Filz‹.
    Nino Zoppa nickte.
    »Bist du Mitglied einer politischen Partei?«
    »Einer Partei?«
    Sie hatte ihn beleidigt.
    »Warum willst du das überhaupt wissen?«
    »Es interessiert mich«, sie schaute ihn nicht an, denn sie war dabei, mit dem dünnflüssigen Honig zu kämpfen, der nicht auf ihrem Brot bleiben wollte.
    Nino Zoppa schaute sie kauend an. »Ich bin ein Mensch, der nicht zu fassen ist«, bluffte er. »Vergiss das nicht und vergiss auch nicht den Chef«, begann er.
    »Wir tun einfach so, als wären wir einander heute Morgen nicht begegnet«, fiel sie ihm ins Wort.
    »Wie soll ich das verstehen?«
    »Auch ich bin nicht zu fassen.«
    Er starrte sie an. »Ich glaube, bei dir stimmt das sogar.«
    Sie ignorierte seine Bemerkung und beugte sich über den Tisch. »Das ist ein Befehl«, erklärte sie mit gedämpfter Stimme. »Unsere Begegnung hat nicht stattgefunden. Wir haben nicht zusammen gefrühstückt. Ich war unterwegs. Und mein Handy ist von nun an offiziell ein Montagsdesaster. Taugt nichts. Verstanden?«
    »Aber …«
    »Nino, ich kann meine Arbeit nicht mehr machen, wenn ich auf Parteikumpelei und Militärfreundschaften Rücksicht nehmen muss. Und«, schob sie rasch nach, »wenn man uns mit den billigsten

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