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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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einfach nur vergessen, wo er war.
    Mellas, der mit einer Gruppe zurückgeblieben war, um die Kilo-Kompanie in die Stellungen einzuweisen, sah ständig das verzerrte, rotzverschmierte Gesicht des jungen vietnamesischen Soldaten vor sich. Er fragte sich, wieso der Junge überhaupt allein da draußen gewesen war und ob die Möglichkeit bestand, dass er überlebt hatte.
    Während die unverwüstlichen Hubschrauber donnernd zwischen der VCB und Sky Cap hin- und herflogen, um die frisch ausgerüsteten Truppen der Kilo-Kompanie abzusetzen und die zerlumpten Truppen der Bravo-Kompanie aufzunehmen, kehrte Colonel Mulvaney von einer Einsatzbesprechung in Dong Ha zurück.
    Die idiotische Abriegelungsoperation war vorbei, und Mulvaney wollte so rasch wie möglich wieder zum Alltagsgeschäft zurück, wie er das nannte: den Fluss des NVA -Nachschubs ins Au-Shau-Tal und in Richtung Da Nang unterbinden, die NVA von den fruchtbaren Ebenen östlich von ihnen fern- und Route 9 offen halten, die einzige Straße, die von der Küste aus durch die Berge nach Khe Sanh und Laos führte. Wenn die NVA jemals an einem wolkigen Tag mit gepanzerten Verbänden diese Straße entlangkam, war alles zu spät.
    »Ist das die Bravo-Kompanie, die von Sky Cap zurückkommt, Corporal Odegaard?«, fragte Mulvaney seinen Fahrer.
    Odegaard bremste ab, während sie an den Zweier- und Dreiergrüppchen vorbeifuhren, die müde an der morastigen Straße entlangtrotteten. Als sie einen Marine mit einem Buschhut nach australischer Art – die Krempe an einer Seite hochgeklappt – und einem abgesägten Maschinengewehr überholten, sagte Odegaard: »Das sind sie, Sir. Das da ist Vancouver, der Kerl, der sie vor dem Hinterhalt bewahrt hat.«
    »Fahren Sie rechts ran, wenn sie an den Kisten da drüben vorbei sind.«
    »Aye, aye, Sir.« Odegaard schwenkte von der Straße ab, und der Jeep kam zum Stehen. Mulvaney sah zu, wie zwei Jungs ohne Hosen vorbeikamen, breitbeinig, um die Flechte nicht zu reizen, die sie von der Taille bis zum Fußknöchel bedeckte. Sein erfahrenes Auge bemerkte die Dschungelfäule an Händen und Gesichtern, den schlechten Zustand der Mörser und die Art und Weise, wie den Jungs die verrotteten Kampfanzüge an den ausgemergelten Körpern hingen.
    »Soll ich den Motor abstellen, Sir?«
    »Nein. Fahren Sie weiter.«
    Bevor sie auf die Bravo-Kompanie gestoßen waren, hatte Mulvaney Odegaard eine seiner besseren Marineanekdoten erzählt. Er erzählte sie nicht zu Ende und blieb den ganzen Weg bis zum Regimentshauptquartier stumm. Während der Besprechung sagte er wenig. Gegen Ende wurde das Thema angeschnitten, wer die Kompanie für Bald Eagle und Sparrow Hawk stellen würde. Bald Eagle war eine Kompanie, die direkt am Landeplatz der VCB in ständiger Alarm- und Gefechtsbereitschaft gehalten wurde. Sparrow Hawk war ein Zug innerhalb dieser Kompanie, der für die kleineren Jobs – zum Beispiel Spähtrupps aus der Klemme helfen – zuständig war. Niemand mochte diesen Dienst. Die Marines verbrachten ihre Tage mit sinnlosen Beschäftigungen, um die Zeit totzuschlagen, während sie zugleich von Angst beherrscht wurden, weil die Kompanie jeden Moment ins Gefecht geworfen werden konnte.
    »Wir waren zuletzt dran, Sir«, sagte der Kommandeur des Dritten Bataillons.
    »Dann sind jetzt Sie an der Reihe, Simpson«, sagte Mulvaney.
    »Aye, aye, Sir«, sagte Simpson und schrieb es in sein grünes Notizbuch, sichtlich unzufrieden, weil ihm damit nur noch drei Kompanien blieben.
    Nach der Besprechung steuerte Mulvaney die Tür an, sobald er sah, dass Simpson und Blakely sich zum Gehen anschickten. »Warum kommen Sie nicht auf einen Drink vorbei, Simpson?«, sagte er.
    Blakely, der eindeutig nicht eingeladen war, drückte nervös seine Zigarette aus.
    »Wäre mir ein Vergnügen, Sir«, erwiderte Simpson. »Wann würde es Ihnen passen?«
    »Jetzt gleich.« Mulvaney ging weg.
    Mulvaney goss zwei Schnapsgläser Old Forester ein, als Simpson sich an der Eingangsklappe seines Zeltes vorbeischob. »Nehmen Sie Wasser?«, fragte er und griff in seinen kleinen Kühlschrank. Simpson sagte, er trinke ihn pur.
    Mulvaney goss sich etwas Wasser ein und gab den Bourbon aus dem Schnapsglas dazu. Er hob sein Glas. »Auf das Corps«, sagte er.
    »Auf das Corps«, gab Simpson zurück. Er kippte den Drink mit einer einzigen Bewegung hinunter, dann schien ihm aufzugehen, was er getan hatte, und er wischte sich mit der Hand nervös den Mund ab.
    »Setzen Sie sich.« Mulvaney deutete auf

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