Matterhorn
auf Simpson. »Aber Sie, Sie und Ihr verdammter Three, Sie gehören diesmal zu den Kunden. Aber eins kann ich Ihnen sagen. Der Teufel soll mich holen, wenn ich zulasse, dass meine Truppen das Scheißspiel des Kunden spielen, auch wenn die Oberen das tun.«
Mulvaney atmete schwer; sein Gesicht war rot angelaufen. Er beugte sich über den Schreibtisch. »Wenn Sie mir das nächste Mal sagen, dass eine Ihrer Kompanien in guter Verfassung ist, bevor ich sie auf eine Operation schicke, dann rate ich Ihnen gut, mich nicht anzulügen. Und jetzt raus hier. Wegtreten.«
Simpson setzte seine Mütze auf und ging zitternd hinaus.
Mit einem Schrei der Frustration wischte Mulvaney die leeren Gläser von seinem Schreibtisch. Er setzte sich und sah zu, wie das Eis auf dem Boden Pfützen bildete. Dann ging er zu dem Foto an der Wand hinüber, stellte sich davor und sah es lange an.
Mellas kam mit dem letzten Hubschrauber. Mit den anderen von seinem Heli-Team schlurfte er in einem Nebel von Erschöpfung dahin. Aus einer besonders schlimm von Dschungelfäule befallenen Stelle seiner Haut sickerte Eiter. Er wischte ihn an seinem Hosenbein ab, wo er sich mit allem vermischte, was sich in Wochen darauf angesammelt hatte. Die Hose hing locker an seiner Taille. Er hatte zwölf Kilo abgenommen. Er war ein Busch-Marine. Er und sein Team gingen, als gehörte ihnen die LZ , aber sie waren sich dessen nicht bewusst. Mellas fühlte sich, als müsste er sich gleich übergeben.
Sie kamen beim Versorgungszelt an. Davor lagen in kleinen Grüppchen Jungs aus anderen Zügen auf dem feuchten Boden und tranken Bier. Mellas schob die schwere Eingangsklappe aus Leinwand zur Seite und ging hinein. Fitch, Hawke, Cassidy und Kendall waren da, zusammen mit einem neuen Second Lieutenant. Der Neue blickte zu Mellas auf und lächelte beflissen. Mellas – müde, zerlumpt, mit bis auf den Kragen fallendem Haar – lächelte nicht zurück.
»Lieutenant«, sagte Cassidy, »Sie sehen aus, als könnten Sie ein Bier vertragen.« Er griff unter den Tisch und holte eine rostige Dose Black Label hervor. »Tut mir leid, ist bloß Black Label, aber das gute Zeug wird schon in Da Nang abgegriffen.« Er stach zwei dreieckige Löcher in die Oberseite und reichte Mellas das Bier. Mellas nahm einen langen Schluck. Das Bier war warm, aber es schmeckte nach guten Erinnerungen. Er spürte das Prickeln der Kohlensäure, als es ihm die Kehle hinunterrann. Er trank die Dose in einem Zug aus und seufzte. »Danke, Gunny.« Cassidy öffnete bereits die nächste Dose für ihn.
Fitch wirkte wieder ziemlich adrett. Seine Haare waren geschnitten und ordentlich an der Seite gescheitelt, und er trug einen sauberen Tarnanzug. Hawke sah zwar sauber aus, aber adrett zu wirken, hatte er nicht drauf. Mellas bemerkte, dass er die Streifen eines First Lieutenant trug.
»Ich möchte Ihnen Paul Fracasso vorstellen«, sagte Fitch rasch. Mellas nickte dem neuen Lieutenant zu, der noch die schicken Klamotten der Basic School und die Standardbrille des Corps trug. Mellas sah den kurzen Blick, den Fitch Hawke zuwarf. Plötzlich wusste er Bescheid. Sie würden seinen Zug diesem Typen geben. Hawke wurde versetzt. Er sagte nichts. Schließlich hatte er genau das gewollt. Er hatte ja selbst an jenem Tag auf dem Matterhorn bei Blakely den Boden dafür bereitet. Nun, da seine Rechnung aufgegangen war, wurde ihm schwer ums Herz. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass er empfinden würde, was er nun empfand.
»Wo ist Scar?«, fragte er und ließ sein Marschgepäck auf den Boden fallen.
»In Quang Tri, den Sold der Kompanie holen«, sagte Hawke.
»Ach ja. Ich hatte schon fast vergessen, dass wir für das Ganze hier bezahlt werden.« Mellas nahm einen weiteren kräftigen Schluck Bier, mit dem er die Dose leer trank. »Nun machen Sie schon, bringen Sie’s hinter sich.« Er wusste, es war unfair von ihm, aber er konnte den Neuling auf den Tod nicht leiden.
»Schön«, sagte Fitch schmallippig. »Äh, Fracasso hier übernimmt Ihren Zug. Sie sind der neue stellvertretende Kompaniechef, Bravo Five. Ich dachte mir, mit Ihnen haut das besser hin als mit Goodwin.«
»Prima. Danke.« Mellas setzte sich auf eine Munitionskiste und nahm eine weitere Dose Bier von Cassidy entgegen.
»Und wo gehen Sie hin, Hawke?«, fragte er.
»Three Zulu.«
»Schön«, sagte Mellas. Er nahm noch einen kräftigen Schluck. Das hieß, Hawke würde als Stabsoffizier bei Bataillonsoperationen für Blakely arbeiten. Blakely war kein
Weitere Kostenlose Bücher