Matterhorn
sagte Broyer und fragte sich, ob das auch ein Sklavenname war. Er war beruhigt, als China nichts sagte. »Bist du im Ersten Zug?«, fragte er.
»Nein. Im Zweiten. Maschinengewehrgruppe. Ich komm allerdings viel rum. Bin so was wie das Begrüßungskomitee, verstehst du?« China stieß ein pfeifendes Kichern aus. »Was hältst du von den beiden weißen Lieutenants, die neulich mit dir gekommen sind?«
»Kenne ich gar nicht. Die sind mit dem Hubschrauber zur VCB eingeflogen, da waren wir schon mit dem Konvoi gekommen.«
»Ist klar«, sagte China lässig. Er wartete darauf, dass Broyer fortfuhr.
»Kamen mir gar nicht so übel vor. Der eine ist so’n Landei, quatscht ständig vom Jagen und so’m Kram. Der andere scheint ein anständiger Kerl zu sein. Sieht allerdings aus, als hätte er ’n Stock im Arsch. Frisch vom College.«
»Aha.« China schaute hinaus auf den Dschungel, der keine zehn Meter hangabwärts von der Stelle lag, an der sie sich unterhielten. Broyer folgte Chinas Blick zu der Wand aus Laubwerk. Andere Angehörige von Broyers Zug hielten diese Wand mit K-Bar-Messern und Klappspaten mühsam auf Abstand. Ein paar standen, Gewehre und Magazine sorgfältig vor sich hingelegt, in ihren Schützenlöchern Wache und suchten die dunkle Baumlinie ab.
»Meinst du, wir werden hier angegriffen?«, fragte Broyer.
»Scheiße, Mann. Meinst du, die Gooks sind so blöd, dass sie diesen Schlammhaufen hier haben wollen? Die wissen mit ihrer Zeit was Besseres anzufangen. Scheiße, Mann.« China lächelte ihn an.
Broyer lachte leise und senkte den Blick auf seinen Klappspaten.
»Hör zu, Brother«, sagte China, »Mach dir keine Sorgen. Ich muss noch bei einem neuen Brother vorbei, bevor die Besprechung der Actuals vorbei ist und ich wieder zu meiner Stellung zurückmuss, aber wir sehen uns später, okay? Du wirst dich bald eingewöhnen. Wir haben alle Schiss, aber ans Schisshaben gewöhnst du dich. Wenn du mit einem Brother reden willst, komm einfach rüber.« Wieder durchliefen sie das Grußritual. Broyer war froh, dass er es sich während der Grundausbildung von einem Freund hatte zeigen lassen, als sie einmal beide Nachtwache hatten und alle anderen schliefen.
Die Actuals versammelten sich im Zwielicht vor First Lieutenant Fitchs Unterschlupf. Ein leichter Dunst verwischte die Konturen ihrer schattenhaften Silhouetten und steigerte noch Mellas’ Unbehagen, weil er sich schon ihre Namen nicht merken konnte.
Mit dem Führer des Dritten Zugs, Second Lieutenant Kendall, vordem vom Fünfzehnten Transportbataillon, hatte er noch kaum gesprochen, allerdings nicht absichtlich, sondern weil schlicht keine Zeit dazu gewesen war. Kendall hatte sandfarbenes, krauses Haar und trug eine gelb getönte Panoramabrille, die er beim Reden ständig berührte. Mellas fiel auf, dass er einen schlichten goldenen Ehering trug.
Second Lieutenant Goodwin, der mit Mellas in der Basic School gewesen und mit ihm zusammen im Hubschrauber gekommen war, rempelte seinen stellvertretenden Zugführer an, Staff Sergeant Ridlow, der ein Lachen unterdrückte. Goodwin trug einen Buschhut. Mellas verspürte einen leisen Stich vor Neid. Am ersten Tag in Quang Tri, als Mellas und Goodwin ihre Ausrüstung entgegengenommen hatten, hatte Goodwin seine aus den Staaten mitgebrachte Schildmütze gegen den weichen Buschhut mit Tarnmuster ausgetauscht und so ausgesehen, als wäre er nie anders herumgelaufen. Mellas hatte ebenfalls einen aufgesetzt, sich im Spiegel angestarrt und den Hut, weil er fand, er sah dämlich damit aus, in seinen Seesack gestopft, um ihn als Souvenir mit nach Hause zu nehmen, falls er es zurück nach Hause schaffen würde. Einige Tage später, nur wenige Augenblicke nach ihrer Ankunft auf dem Matterhorn, gab es für Mellas erneut Grund, auf Goodwin neidisch zu sein. Dazu kam es, als der Skipper, Lieutenant Fitch, knapp verkündete, dass Mellas mit Sergeant Bass gehen würde. Er hatte hinzugefügt, dass Bass den Zug in der Zeit zwischen Hawkes Ernennung zum Executive Officer und Mellas’ Ankunft hervorragend geführt habe. Dann hatte er Goodwin dem Zweiten Zug mit Staff Sergeant Ridlow zugeteilt, den er als fähig, aber ein bisschen lax bezeichnete. Mellas hatte sofort gewusst, dass er Goodwin für den besseren Offizier hielt, weil er ihm die schwierigere Aufgabe übertragen hatte. Nach ihren Leistungen in der Basic School, ob und wo sie aufs College gegangen waren, nach diesen Dingen hatte Fitch nicht gefragt. Mellas empfand das als
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