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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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wegen Urlaubskontingenten an Hawke weiterzugeben, aber er war nicht schlau daraus geworden und hatte sich nicht dadurch blamieren wollen, dass er um Aufklärung bat. »Nein, ich kann mich nicht erinnern, dass er was davon gesagt hat«, log er unverfroren. Er wollte sich nicht schon wieder vor Hawke blamieren.
    »Aha. Na ja, vielleicht kommen wir ja heute Abend beim Lagebericht für Big John zu ihm durch.«
    »Gibt es denn in der Kompanie Rassenprobleme?«, fragte Mellas, um das Thema zu wechseln.
    »Nein, eigentlich nicht«, antwortete Hawke. »Klar, ein paar Dumpfbacken meckern rum und stiften Unruhe. Aber hier draußen haben die Splibs nicht mehr zu meckern als die Chucks. Was ich so mitkriege, sind wir alle Scheißnigger.«
    »Wer ist dieser China?«
    »Unser hiesiger H. Rap Brown, unser höchsteigener schwarzer Radikaler«, sagte Fitch lächelnd, »auch bekannt als Lance Corporal Roland Speed. Aber er möchte nicht, dass ihn jemand so nennt. Cassidy kann ihn nicht leiden, aber er ist ein guter Maschinengewehrschütze, und bis jetzt hat er noch keinen richtigen Ärger gemacht. Wir haben auch unsere weißen Fanatiker.« Er sah seine beiden Funker an.
    Relsnik, der Funker, der mit dem Bataillon geredet hatte, erwiderte den Blick. »Ich kann nichts dafür, Sir. Sie sind nicht mit ihnen aufgewachsen wie ich und Pallack in Chicago. Sonst würden Sie sie auch hassen. Die meisten Schwarzen hier sind ganz anständig. Manche mag ich sogar. Aber das sind Individuen. Als Rasse hasse ich sie.«
    Fitch zuckte mit dem Schultern und sah Mellas an. »Logisch ist dem Standpunkt nicht beizukommen.«
    Die beiden Funker widmeten sich wieder ihren Zeitschriften.
    Unten bei den Stellungen schmiss Private First Class Tyrell Broyer, der mit demselben Hubschrauber wie Mellas und Goodwin gekommen war, seinen Klappspaten in sein Schützenloch und zeigte dem Marterinstrument den Stinkefinger. Seine Hände waren noch immer nicht gegen den Busch abgehärtet und hatten Risswunden vom Auslegen des Stacheldrahts, Blasen vom Hacken mit der Machete und jede Menge kleinerer infizierter Schnitte von scharfen Dschungelgräsern. Bei seiner Rückkehr vom Stacheldrahtauslegen unterhalb der Linie von Schützenlöchern hatte er feststellen müssen, dass ein kleiner Erdrutsch sein eigenes halb zugeschüttet hatte.
    Er blickte zum dunkler werdenden Himmel auf und rückte sich die schwere Plastikbrille auf dem Nasenrücken zurecht. Die Angst, im Dunkeln ohne Schutz dazustehen, trieb ihn rasch in das Loch zurück. Sofort schämte er sich seiner Angst. Er könnte jetzt oben an der LZ liegen wie dieses arme Schwein aus der Zweiten Gruppe. Bemüht, den Schmerz von einem eingerissenen Fingernagel zu ignorieren, schaufelte er weiter, bis er spürte, dass oberhalb seines Lochs jemand auf dem Boden hockte. Als er sich umdrehte, hatte er ein Paar ausgebleichte Dschungelstiefel vor sich. Sein Blick wanderte nach oben zu einem dunkelhäutigen Knie, das durch ein kleines Loch in einem verblichenen Hosenbein zu sehen war, und machte halt auf dem Gesicht eines stämmigen schwarzen Marine mit einem schütteren Ho-Chi-Minh-Schnurrbart. Der Besucher hob die geballte Faust, und sie durchliefen das zwischen allen schwarzen Marines übliche Begrüßungsritual, ein mehrmaliges rhythmisches Zusammenführen der Fäuste an Knöcheln, Ober- und Unterseite, das mehrere Sekunden dauerte.
    »Wo kommst du her, Brother?«, fragte der Besucher, als sie fertig waren.
    »Baltimore.« Broyer blickte auf sein sehr kleines Loch hinunter. Es drängte ihn, es fertig zu graben, ehe das Licht schwand und er ungeschützt blieb. Erneut rutschte ihm die Brille hinunter, und er schob sie rasch wieder hinauf.
    »Mach dir keine Gedanken wegen dem Loch, Mann. Von den Scheißdingern gräbst du in den nächsten dreizehn Monaten noch so viele, dass es dir für dein ganzes Leben reicht. Hast du eine Zigarette?«
    »Ja.« Broyer griff in seine Tasche und zog ein kleines Päckchen C-Ration-Zigaretten hervor. Er bot sie dem Fremden an, der ihn anlächelte, als amüsiere er sich über irgendeinen Witz. Ihm fiel auf, dass der Fremde an der Weißfleckenkrankheit litt, die im Gesicht und auf den Armen pigmentlose Stellen hervorrief.
    »Ich heiße China«, sagte der Fremde. »Hab gedacht, ich schau mal bei ein paar von den neuen Brothers vorbei.« Er zündete die Zigarette an und inhalierte langsam. »Wie heißt du, Brother?«
    »Broyer.«
    »Scheiße, Mann. Dein richtiger Name, nicht dein Sklavenname.«
    »Tyrell«,

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