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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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Freundschaft und verpassten Gelegenheiten zu tun – mit dem Ende.
    »Kommst du ab und zu mal in die Gegend von Los Angeles?«, fragte Fitch.
    »Klar.«
    »Wenn wir’s hier rausschaffen, dann besuch mich doch mal. Ich geb dir ein Bier aus.«
    Mellas sagte, das werde er tun.
    »Gott«, flüsterte Fitch. »Ein Bier.«
    Fitch zog die Kompanie auf den kleineren Kreis von Schützenlöchern zurück. Sie waren nicht mehr genug Marines, um den äußeren Ring zu verteidigen. Mellas versuchte, die Schmerzen in seiner Kehle und Zunge zu lindern, indem er den Tau von seinem Gewehrlauf ableckte. Es wirkte nicht.
    »In einem Monsun zu verdursten, das muss man sich mal vorstellen«, witzelte Mellas vor sich hin, während er den Berg hinaufstapfte, um festzustellen, wie es Kendall und den anderen Verwundeten ging. Er kam an dem wachsenden Leichenstapel vorbei.
    Genoa war nicht mehr da. Mellas kniete sich neben Kendall, der wie ein Marathonläufer keuchte, ins Leere starrte und sich mit aller Kraft darauf konzentrierte, sein erbarmungsloses Atemtempo aufrechtzuerhalten. Er hatte sichtlich Schmerzen. Sheller hatte sich gegen Morphium entschieden, denn er befürchtete, dass das Kendalls Atem lähmen und ihn umbringen würde. Kendall wies mit einer Kopfbewegung auf die von Blut und Auswurf nasse Stelle am Boden, wo Genoa gelegen hatte.
    »Dir geht’s nicht annähernd so schlecht wie Genoa«, sagte Mellas.
    »Meine Schuld«, japste Kendall.
    »Das haben wir doch alles schon mal durchgekaut. Es war nicht deine Schuld«, sagte Mellas. Er zögerte, kämpfte mit sich, fragte sich, ob es helfen konnte oder ob es bloß ein Schwelgen in Selbstmitleid wäre. Dann ließ er es darauf ankommen und hoffte das Beste. »Verdammt, vielleicht hab ich Pollini erschossen.«
    Schwer atmend starrte Kendall ihn mehrere Sekunden lang an, während er das verdaute. »Hart – verflucht – ganz schön hart – was wir da – nach Hause mitbringen.« Dann verstummte er wieder bis auf das gequälte, gehetzte Keuchen. Doch auf seinem Gesicht lag ein schwaches Lächeln.
    Mellas lächelte zurück. »Der Skipper sagt, in der VCB stehen zwei Vögel in Bereitschaft, und auf Sherpa wartet ein weiterer.«
    Kendall nickte. Mellas kroch hinaus ins Tageslicht, bevor Kendall vor seinen Augen zusammenbrechen konnte. Er eilte zum Befehlsstand hinüber. Als er dort ankam, hatten Fitch und Sheller ein Stück weit von den Funkern entfernt die Köpfe zusammengesteckt. Er gesellte sich zu ihnen. Fitch schürzte die Lippen, dann bedeutete er ihm, sich hinzusetzen.
    »Sagen Sie’s ihm, Sheller.«
    Der Senior Squid, dessen Gesicht längst nicht mehr rund war, wandte sich an Mellas. »Es geht ums Wasser, Sir. Ich habe Leute, die wegen Austrocknung zusammenklappen. Ihr Blutdruck geht runter, und sie fallen in Ohnmacht. Wir verlieren Einsatzfähige.«
    »Und?« Die Ellbogen an den Rippen, breitete Mellas mit nach außen gedrehten Handflächen die Arme aus. Was sollen wir dagegen machen, verdammte Scheiße?
    Fitch mischte sich ein. »Wir können die Infusionsflüssigkeit, die wir den Verwundeten geben, den Einsatzfähigen geben, damit sie einsatzfähig bleiben.«
    Mellas schwieg, denn ihm war bewusst, was das für die Verwundeten bedeutete. Er schluckte. »Und wer entscheidet, wer keine Infusionsflüssigkeit mehr kriegt?«
    »Ich«, sagte Fitch grimmig. »Sonst niemand.«
    Sheller betrachtete Mellas, dann Fitchs Hände, die zitterten.
    »Scheiße, Jim. Du kriegst nicht genug Geld, um solche Entscheidungen zu treffen.«
    »Ja, und zu jung und unerfahren bin ich auch.« Fitch lachte, kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Er steckte die Hände in die Achselhöhlen, vermutlich um das Zittern zu verbergen. »Du hast es doch so mit Zahlen, Mellas. Wenn wir nichts sehen können und uns die Birne so wehtut, dass wir nicht denken können, und uns jedes Mal schwummrig wird, wenn wir aufstehen, um zu schießen, wie zum Geier sollen wir dann die Verwundeten verteidigen? Wie viele Verwundete überleben bei der einen Vorgehensweise und wie viele bei der anderen?«
    Mellas schüttelte den Kopf. »Jim, es geht nicht um Zahlen. Wie willst du das entscheiden?«
    »Ich fang mit denen an, denen es am schlechtesten geht.«
    »Wie Kendall?«
    »Wie Kendall.«
    »Mein Gott, Jim«, sagte Mellas. Er war plötzlich den Tränen nahe, aber Weinen war unmöglich. Er spürte, dass ihm das Kinn zitterte, und hoffte, die anderen würden es nicht merken. »Scheiße noch mal.« Dann, zu seiner Beschämung, hoffte

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