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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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versuchte. Es klappte nicht besonders gut. Mellas konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal gepisst hatte, aber er wusste noch, dass es ein braunes Getröpfel gewesen war. Er hörte das Abschussgeräusch von Mörsern. Mole zog sich hastig den Hosenschlitz zu und sprang in sein Schützenloch. Oben auf der Landezone schlugen drei Granaten ein. Mellas nahm die Hände von den Ohren und wartete. Mole kam wieder aus seinem Loch und versuchte weiterzupinkeln. Zusammen mit Jackson beobachtete Mellas ihn müßig und fragte sich, ob etwas kommen würde.
    Als Mole es aufgab, drehte sich Mellas zu Jackson. »Hey, Jackson. Bevor wir getrennt werden, will ich Sie was fragen. Wenn Sie mich deswegen für ein Arschloch halten, versuchen Sie einfach, nicht sauer auf mich zu sein.«
    Jackson sagte nichts.
    Mellas kam gleich zur Sache. »Ich glaube, dass Typen wie China und vielleicht auch Mole Waffen nach Hause schicken. Mole kann unmöglich so viele Maschinengewehrteile verlieren, wie er angibt.«
    Jackson schmunzelte. »Ich glaube, das Unternehmen ist beendet worden.« Blinzelnd blickte er in den Nebel hinaus. »Sagen wir mal, von erfolgreicheren Geschäftspraktiken abgelöst.«
    »Was?«
    »Unter den Brothers heißt es, dass sie’s nicht mehr machen, Sir.«
    Mellas wollte nachbohren, hielt sich jedoch zurück. Es reichte zu wissen, dass das Gerücht stimmte und dass man nichts unternehmen musste. Nach kurzem Schweigen fragte er: »Wird es zu Ausschreitungen kommen? Zu Hause, meine ich. Sie wissen schon, mit schweren Waffen.«
    Jackson gab keine Antwort.
    »Ich hab so ein Gefühl, als müsste ich mich einmischen, aber ich kann überhaupt nichts machen.«
    »Können Sie auch nicht.«
    »Gar nichts?«
    »Lassen Sie uns einfach zufrieden.« Jackson sah ihm in die Augen; sein Ton war freundlich gewesen. Mellas war zwar Offizier und ein Weißer, aber Jackson war in diesem Augenblick bloß ein Altersgenosse, mit dem er sich ein Schützenloch teilte. »Sie kapieren es wirklich nicht, oder?«, sagte Jackson.
    »Anscheinend nicht.«
    Jackson seufzte. »Scheiße, Lieutenant. Vielleicht sind wir in ein, zwei Stunden tot, also ist es wohl kaum der richtige Zeitpunkt, rumzueiern und nicht zu sagen, was Sache ist. So weit okay für Sie?«
    »Das mit dem Totsein in ein, zwei Stunden nicht«, antwortete Mellas.
    Jackson schnaubte zustimmend. »Okay, Sir.« Er hielt kurz inne. Dann sagte er: »Sie sind ein Rassist.«
    Mellas schluckte und sah Jackson mit offenem Mund an.
    »Immer mit der Ruhe«, sagte Jackson, der seine Worte offenbar sorgfältig wählte. »Gehen Sie nicht gleich an die Decke. Ich bin auch ein Rassist. Sie können nicht in Amerika aufwachsen und kein Rassist sein. Jeder auf diesem Scheißberg ist ein Rassist, und jeder in der zivilen Welt ist es auch. Nur gibt es einen großen Unterschied zwischen uns beiden Rassisten, den weder Sie noch ich jemals ändern können.«
    »Und der wäre?«, fragte Mellas.
    »Ihnen hilft es, ein Rassist zu sein, und mir schadet es.« Jackson blickte hinaus in die Ferne. Sie schwiegen beide. Dann sagte Jackson. »Wissen Sie, China hat völlig recht. Wir müssen die rassistische Gesellschaft stürzen. Keine Kleinigkeit.« Sein Gesicht erhellte sich. »Es gibt noch einen Unterschied zwischen uns Rassisten.«
    Mellas blieb stumm.
    »Manche von uns Rassisten sind voreingenommen, und manche sind’s nicht. Sie, würd ich sagen, versuchen, nicht voreingenommen zu sein. Ich auch und Cortell und sogar Mole, obwohl der es nie zugeben würde. Hawke ist überhaupt nicht voreingenommen. Nicht voreingenommen zu sein – mehr können wir im Augenblick nicht tun. Kein Rassist zu sein, dazu ist es zu spät.«
    »Kapier ich nicht.«
    »Wie viele schwarze Freunde haben Sie in der Welt da draußen?«
    Mellas hielt inne und schaute verlegen in den Nebel. Dann sah er Jackson wieder an. »Keinen.«
    »Sehen Sie«, sagte Jackson lächelnd. »Und ich, ich habe keine weißen Freunde. Von Rassismus werden wir erst frei sein, wenn meine schwarze Haut die gleichen Signale aussendet wie Hawkes roter Schnurrbart. So wie die Dinge jetzt liegen, können sie mich nicht ansehen, ohne noch etwas anderes zu denken, und ich, ich kann den Blick nicht erwidern, ohne die gleiche Grundhaltung zu haben.«
    Allmählich verstand Mellas.
    »Wenn jeder Weiße einen schwarzen Freund hat, wissen wir, dass wir von Rassismus frei sind«, sagte Jackson. Dann lachte er laut. »Hey, Sie haben’s doch mit Mathe, Lieutenant. Das heißt, jeder

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