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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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lediglich ausreichend Infusionsflüssigkeit für die bevorstehende Nacht aufzuheben, denn er wusste, sie würden entweder tief genug unter der Wolkendecke sein, um evakuiert werden zu können, oder es würde regnen. Oder sie wären überrannt und tot und würden sie nicht mehr brauchen. Also ordnete er an, dass der Rest verteilt wurde. Jeder bekam ungefähr vier Schluck von der schalen salzigen Flüssigkeit. Sie schmeckte nach Gummistöpsel.
    Mellas blieb bei Fitch und lauschte den Funkgeräten. Irgendwann erstarrte Fitch, und sein Kopf kam ruckartig hoch. Dann hörte auch Mellas weit weg im Osten die Geräusche eines Feuergefechts.
    »Das muss jemand von Three Twenty-Four sein«, sagte Fitch. Über Daniels’ Funkgerät konnten sie hören, wie der Artilleriebeobachter der Mike-Kompanie alles anforderte, was er nur kriegen konnte.
    »Die Koordinaten für den Artillerieeinsatz kommen gerade durch, Sir«, sagte Daniels aufgeregt. »Sieben, vier, drei, fünf, sieben, eins.«
    Fitch stieß den Finger auf die Koordinaten. Über sechs Kilometer entfernt. Eine Ewigkeit.
    »Scheiße, wir können hier oben überhaupt nichts machen«, sagte Mellas hilflos.
    »Ja«, sagte Fitch. »Wir sind die Prinzessin, und die sind die Drachentöter.«
    Mellas sah Fitch an. »Die verfluchten Schweine«, sagte er. »Wir sind nichts als der Scheißköder. Köder.« Er wirbelte herum und stakste hangabwärts davon.
    Eine Stunde verging, und mit ihr auch sein Zorn. Er langte nach unten, packte einen Klumpen feuchten Lehm, ballte die Hand zur Faust, quetschte ihn zusammen, bis sein Unterarm zitterte. Dann ließ er ihn los und sah zu, wie er auf den feuchten Untergrund seines Schützenlochs platschte. Er begann den Lehm zu streicheln, die Finger leicht darübergleiten zu lassen, ihn zu liebkosen. Er verspürte ein Gefühl von Schönheit und Verlangen nach dem feuchten, morastigen Boden, das ihn zu Tränen gerührt hätte, aber er war zu ausgetrocknet, um zu weinen. Er sehnte sich von ganzem Herzen danach, diesen Lehm nur noch einen Tag und dann noch einen sehen zu können.
    Jackson wusste, was Mellas dachte, und starrte still geradeaus, denn er wollte den Lieutenant nicht in Verlegenheit bringen, indem er ihn beobachtete. Mellas hörte auf, den Boden zu betasten, und verschränkte die Arme vor der Brust seiner beiden Schutzwesten. »Ich bin eine tolle Inspiration, was?« Er senkte den Blick auf seine schmutzigen Handrücken. Er versuchte, sich Tränen wegzuwischen, die nicht gekommen waren, und schmierte sich nur noch mehr Dreck ins Gesicht.
    »Nicht jeder von uns kann ein Chesty Puller sein, Sir«, sagte Jackson.
    Mellas stieß einen tiefen Seufzer aus, ließ noch einen folgen und atmete mit aufgeblasenen Backen aus. »Hey, Jackson, zeigen Sie mir, wie ihr Brothers euch die Hand gebt?«
    »Was?«
    »Sie wissen schon. Diesen Bapp-bapp-bapp-Scheiß.«
    Jackson sah Mellas an, ohne recht zu wissen, ob dieser es ernst meinte. Als Mellas den Blick nicht abwandte, verdrehte Jackson die Augen nach oben und sagte: »Verraten Sie bloß keinem, von wem sie das gelernt haben, okay?«
    Mellas grinste und hielt ihm die Faust hin. Nach fünfmaliger Wiederholung beherrschte Mellas die komplizierten Bewegungen immer noch nicht.
    »Sie haben’s fast drauf, Lieutenant«, sagte Jackson, die Faust erneut ausgestreckt. »Viel fehlt nicht mehr.«
    Mellas seufzte. »Es fühlt sich einfach nicht richtig an.«
    Jackson lächelte. »Das wird’s auch nie.«
    »Wieso nicht?«
    »Sie sind kein Schwarzer.«
    Mellas wurde plötzlich verlegen, kam sich dumm vor, weil er Jackson gebeten hatte, ihm die Begrüßung zu zeigen. »Ich habe immer gedacht, wir sind letzten Endes alle gleich«, sagte er.
    »Sind wir auch. Was soll’s, ich hab zwei weiße Urgroßväter, genau wie Sie. Nur haben wir alles schon so lang anders gesehen, dass wir nicht mehr groß drüber reden können.«
    »Versuchen Sie’s doch mal.«
    »Keine Chance, Lieutenant.« Jackson verschränkte die Arme. »Glauben Sie, irgendwer versteht, wie es Ihnen hier im Busch geht? Auch wenn derjenige in jeder Hinsicht so wie Sie ist, glauben Sie wirklich, er versteht, wie’s hier draußen ist? Versteht es wirklich?«
    »Wahrscheinlich nicht.«
    »Genauso ist es mit dem Schwarzsein. Wenn man’s nicht selber erlebt hat, keine Chance.«
    Mellas verlagerte sein Gewicht, zog mit schmatzendem Geräusch einen Stiefel aus dem Dreck. Unten bei den Stellungen sah er Mole, der neben seinem Schützenloch stand und zu pinkeln

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