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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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langsames, stetiges Gepladder auf seinen Helm über. Während er auf Händen und Knien in völliger Dunkelheit durch Morast kroch, machte er sich klar, dass er Gruppe Eins und Zwei komplett verfehlt hatte und umkehren musste, um sie zu kontrollieren. Wieder spürte er etwas vor sich. »Chadwick?«, flüsterte er und hoffte zugleich, dass Parker ihm den richtigen Namen gesagt hatte. Keine Antwort. »Chadwick, ich bin’s, Lieutenant Mellas.« Sein Flüstern wehte durch die Stille.
    Die Reaktion bestand in einem deutlich hörbaren Seufzer der Erleichterung. »Ach du heilige Scheiße, Sir, ich hab gedacht, ich sterbe. Ich war kurz davor, Ihnen den Arsch wegzuballern.«
    Er brauchte zwei Stunden, um die hundertvierzig Meter Umzäunung zu inspizieren, für die sein Zug zuständig war. Er kam völlig erschöpft zurück, seine Kleidung durchnässt und schlammverkrustet, Blutegel an Armen und Beinen. Zweimal pro Nacht, und das noch dreihundertneunundachtzigmal.
    Mehrere Stunden später sah Corporal Jancowitz, der Führer von Mellas’ Dritter Gruppe, zu, wie allmählich Grau in die Schwärze einsickerte. Er war nicht froh darüber, den Morgen zu sehen, weil er wusste, dass er auf Spähtrupp gehen musste. Aber er war auch nicht unglücklich, denn der Morgen bedeutete einen Tag weniger bis zu seinem Urlaub in Bangkok, wo er Susi wiedersehen würde. Er bedeutete außerdem, dass die vor Morgengrauen herrschende hundertprozentige Alarmbereitschaft aufgehoben war und man Frühstück machen konnte. Er befahl der Gruppe wegzutreten und teilte seinen Dritten Trupp zur Wache ein.
    Er holte eine Dose gehacktes Ei hervor, gab etwas Schokolade von einem Hershey-Trop-Riegel dazu – eine eigens für den Dschungel entwickelte Schokolade mit hohem Schmelzpunkt – und mischte etwas Tabasco- und A 1 -Soße darunter, beides aus dem letzten Urlaub mitgebracht und sorgsam gehütet. Dann fügte er Aprikosensaft hinzu und warf die Dose mit den Aprikosen in den Dschungel. Von einer Stange C 4 -Plastiksprengstoff riss er ein kleines Stück ab, legte es auf den Boden, stellte die Dose darauf und zündete den Sprengstoff an. Eine weiße zischende Flamme hüllte die Dose ein. Eine halbe Minute später löffelte sich Jancowitz den Inhalt in den Mund und dachte dabei an Susi, das thailändische Barmädchen, für das er seine Dienstzeit um weitere sechs Monate verlängert hatte. Die Verlängerung hatte ihm dreißig Tage Urlaub in Bangkok eingebracht. Es waren die besten dreißig Tage seines Lebens gewesen. Jetzt war er schon wieder so lange in Nam, dass er sich eine weitere Woche Urlaub bei Susi verdient hatte; bis dahin waren es nur noch wenige Tage. Wenn er zurückkam, würde er sich noch einmal für sechs Monate verpflichten. Das würde ihm noch einmal dreißig Tage mit Susi einbringen. Sechs Monate danach, und er war fertig, endgültig fertig, raus aus der Scheiße – dem Marine Corps – und verheiratet, mit den Ersparnissen von über zwei Jahren als Starthilfe.
    Er war neunzehn, Corporal und Gruppenführer. Wegen seiner Verdienste bei der Operation Wind River war er zur Beförderung zum Sergeant vorgeschlagen. Der Jayhawk hatte gesagt, er werde versuchen, dafür zu sorgen, dass er, Jancowitz, seine zweite Verlängerung in der Etappe abreißen konnte, und das war sehr viel angenehmer, als nach Hause zu gehen zu den Arschlöchern, die Transparente schwenkten und einen dumm anpöbelten. Außerdem gab es niemanden, der auf ihn wartete. Drei Monate in den Staaten zur Ausmusterung und dann mit fast drei Jahren Sold zurück nach Bangkok. Es gab Schlimmeres. Bass hatte sogar gesagt, er verlasse sich darauf, dass Jancowitz mithelfe, den neuen Lieutenant einzufuchsen, jetzt, da Fisher nicht mehr da war.
    Der neue Lieutenant fuchste seine neue 45 er ein, indem er das Verschlussstück vor- und zurückgleiten ließ. Sein Funker, Hamilton, frühstückte: Schinken und Limabohnen, gemischt mit Traubengelee. Mellas hatte keinen Hunger.
    »Keine Sorge, Sir, das Ding funktioniert schon«, sagte Hamilton mit vollem Mund.
    Mellas betrachtete die Waffe und schob sie dann ins Holster zurück.
    »Außerdem«, fuhr Hamilton fort und deutete mit einem weißen Plastiklöffel auf die Waffe, »ist das Ding keinen Furz wert, wenn’s richtig zur Sache geht. Ich würd eine abgesägte Zwölfkalibrige nehmen, wenn ich eine kriegen könnte.«
    Mellas wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Das standardmäßige Ausrüstungsverzeichnis, in dem festgelegt war, welche Waffen zu

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