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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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hatte.
    Mellas wusste nicht, ob er Einwände erheben sollte oder nicht. Er sah Jancowitz und Hamilton an und suchte in ihren Gesichtern nach einem Hinweis.
    Bass, der hinter ihnen auftauchte, half ihm aus der Klemme. »Warum spielst du nicht mal richtige Musik, zum Beispiel Tammy Wynette, anstatt diese Scheißdschungelmusik?«
    »Immer noch besser als Teekisten und Besenstiele«, sagte Jackson und wartete auf das Gelächter, das prompt folgte. Mellas stimmte verlegen darin ein. Jackson blickte auf, als er eine unvertraute Stimme hörte. Er erkannte Mellas, schaltete den Plattenspieler sofort aus und stand auf. Die kleine Gruppe wurde ernst, aufmerksam, Zigaretten wurden im Morast ausgedrückt.
    »Tut mir leid, Sir«, sagte Jackson. »Ich hab nicht gewusst, dass Sie da sind.«
    Was Mellas an ihm auffiel, war, dass es ihm eindeutig nicht leidtat. Er war bloß höflich. Er sah Mellas mit einer Offenheit an, die kundtat, dass er durchaus imstande war, sich zu verteidigen, ohne sich in die Defensive drängen zu lassen. Mellas lächelte. »Ist schon okay. Ich unterbreche die Show nur ungern.«
    Überzeugt, dass Mellas bei Jancowitz in guten Händen war, gab Bass ein Knurren von sich und verfügte sich zur Zweiten Gruppe, um festzustellen, wie Jacobs sich an seinem ersten Tag als Spähtruppführer machte.
    »Wo ist Shortround?«, fragte Jancowitz und blickte sich um.
    Jackson seufzte und deutete auf ein Paar Ponchos, das ein in den Hang gegrabenes Loch bedeckte. »Der hatte letzte Nacht Horchposten. Frühstückt wahrscheinlich noch.«
    »Shortround!«, brüllte Jancowitz. »Verflucht noch mal. Mach, dass du herkommst, aber schnell.«
    Man hörte ein Grunzen. Ein Kopf, noch unsichtbar, beulte den durchhängenden Poncho. Zwei kurze, von einer weiten, schmutzigen Hose bedeckte Beine schoben sich aus dem Unterschlupf. Ein kleiner Bursche mit braunem, gekräuseltem Haar und übergroßer Nase grinste Jancowitz an. Sein Gesicht war mit Spaghettisoße beschmiert. Er wischte sie sich mit großen Händen ab, die braun verfärbt waren von wochenaltem Schmutz.
    »Hi, Janc«, sagte Shortround fröhlich grinsend.
    Jancowitz wandte sich an Mellas. »Sir, das ist Pollini, aber wir nennen ihn Shortround. Aber nicht, weil er klein und dick ist.« Eine »short round« nannte man eine Artilleriegranate, die versehentlich zu nah herunterkam und dabei oft die eigenen Leute tötete.
    Pollini stopfte sich rasch mehrere Trop-Riegel in die Taschen, schnappte sich sein Gewehr und schloss sich der Gruppe an, als Daniels, sein Funkgerät auf dem Rücken, den Hang vom Befehlsstand herunterkam. Jancowitz stellte ihn Mellas vor, dann nahm er den Handapparat vom Funkgerät und rief den Befehlsstand. »Bravo, hier spricht Bravo One Three. Wir brechen auf.«
    Die Gruppe drang in einer einzigen langen Reihe in den Dschungel vor – Jancowitz als Dritter von vorn, dahinter Mellas, der Jancowitz nicht aus den Augen ließ. Keiner sprach. Mellas dachte, dass Jancowitz schon fast neunzehn Monate im Busch war. Vom Überleben verstand er wahrscheinlich mehr als jeder andere in der Kompanie.
    Sobald sie unter den Bäumen waren, ließen sich die Blutegel auf sie fallen. Die Männer versuchten, sie abzustreifen, bevor sie sich festbissen und Blut saugten, kamen normalerweise aber zu spät, weil sie ihre Aufmerksamkeit eher auf den Dschungel konzentrierten und alle Sinne anstrengten, um den Hinweis wahrzunehmen, der sie und nicht die Nordvietnamesen als Erste zum Schuss kommen lassen würde.
    Die Blutegel nutzten ihre Lage weidlich aus. Manche, sah Mellas, fielen den Männern wie Regentropfen auf den Nacken und glitten ihnen unters Hemd. Andere wanden sich auf dem feuchten Humus des Dschungelbodens, hefteten sich an einen Stiefel, krochen dann das Hosenbein hoch. Ab und zu sprühte jemand Insektenschutzmittel darauf; dann fiel der Blutegel auf den Boden und dem Betroffenen rann Blut über Arm, Bein oder Hals.
    Die Vierzehn-Mann-Schlange bewegte sich unstet. Immer wieder duckte sich der Mann an der Spitze plötzlich, strengte Augen und Ohren an, und dann liefen die hinter ihm zu einem dichten Haufen auf, duckten sich ebenfalls und warteten, bis es weiterging. Dabei wurden sie müde und ließen in ihrer Aufmerksamkeit nach. Dann, von einem ungewohnten Geräusch aufgeschreckt, schärfte sich ihre Wachsamkeit wieder. Ihre Blicke huschten rasch hin und her, während sie versuchten, gleichzeitig in alle Richtungen zu blicken. Sie hatten Kool-Aid- und Tang-Tüten dabei –

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