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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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Schafft ihn zur LZ rauf. Scheiße, worauf wartet ihr noch?« Sein Funkgerät auf dem Rücken, rannte er in die Dunkelheit davon, während er mit dem Piloten sprach.
    Sheller drückte sich zur Seite, als Fitch und Hawke durch die Öffnung des Unterschlupfs kamen und die Trage packten. Die Unterbrechung kam ihm gelegen, denn sie ersparte ihm eine Antwort. Wie würde sich das Narbengewebe auswirken? Würde es zu einer Infektion kommen? Hatte er irgendwelche Gefäße durchschnitten, von denen er gar nichts wusste? Er hatte wirklich keine Ahnung, was passieren würde, war sich aber durchaus bewusst, dass er Fisher vielleicht nicht nur zur Kinderlosigkeit, sondern auch zur Impotenz verurteilt hatte.
    Mellas sah zu, wie sich die Schatten wieder bergauf bewegten. Im Tal unter ihnen war das vertraute Waschbrett-Klopfen zu hören, mit dem der Hubschrauber, der knapp über den Baumwipfeln unter der dünnen Wolkendecke hindurchflog, um Höhe kämpfte. Dann eröffnete das 51 er der NVA das Feuer, fast unmittelbar gefolgt von den beiden 50 er Maschinengewehren des Hubschraubers, die blind in die Dunkelheit feuerten, um das gegnerische Feuer zu unterdrücken. Der Hubschrauber kam aus der Dunkelheit und setzte hart in der Landezone auf; sofort sprang der Crew Chief aus der Maschine und schrie den Marines zu, sie sollten die Trage an Bord schaffen.
    Mellas sah zu, wie Cassidy, Hawke, Fitch und der FAC -Mann mit der Trage quer über die Landezone und die Rampe des Hubschraubers hinaufrannten, während die Kugeln des NVA -Maschinengewehrs durch die Luft peitschten. Er kauerte sich auf den Boden, dankbar dafür, dass er sich knapp unterhalb der LZ befand und dadurch Deckung hatte. Der Hubschrauber bewegte sich, noch bevor die vier Träger wieder herausgekommen waren. Er hatte bereits abgehoben, als die letzte dunkle Gestalt auf den Boden sprang und zum Rand der LZ rannte.
    Mellas sah zu, wie der schattenhafte Koloss in der Dunkelheit aufstieg und der schwache Schimmer seiner Instrumente mit ihm in der Nacht verschwand. Das Maschinengewehrfeuer verstummte. Mellas richtete sich aus seiner geduckten Haltung auf und warf einen Blick nach hinten in den Unterschlupf des Befehlsstands. Der Senior Squid kniete immer noch vor der nun verlassenen Stelle auf dem Boden, die Vorderseite seines Hemdes von Urin und Blut durchtränkt, das Messer in der Hand. Er weinte und betete gleichzeitig.

Kapitel 2
    D as Licht erstarb. Stimmen wurden zum Schweigen gebracht. Dunkelheit und Angst traten an die Stelle von Licht und Vernunft. Das Wispern, mit dem ein Blatt an einer Rinde streifte, ließ Köpfe herumfahren und Herzen rasen. Die undurchdringliche Schwärze und die unsichtbare Wand aus triefender Vegetation ließen keinen Fluchtweg. In diesem schwarzen, feuchten Nichts verschwamm die Umzäunung zu einer bloßen Erinnerung. Nur die Fantasie gab ihr Gestalt.
    Mellas schauderte in seinem Unterschlupf und lauschte dem Geflüster des Kompanie-Funknetzes. Durch den Morast hindurch konnte er Hamiltons Zittern spüren, aber sehen konnte er den in ein speckiges Ponchofutter eingehüllten Funker nicht. Das nasse Unterhemd klebte ihm am Leib. Zu Hause hatte er mit seiner Mutter geschimpft, weil sie es zu hell gefärbt hatte. »Damit sieht man mich schon aus einer Meile Entfernung.« Sie hatte sich auf die Lippe gebissen, um die Tränen zu unterdrücken. Er hatte sie in den Arm nehmen wollen, es dann aber doch nicht getan.
    Um 2300 und um 0300 hatte er Schützenloch-Inspektion, um sicherzustellen, dass diejenigen, die Wache hatten, auch tatsächlich wach waren. Bis dahin saß er da wie jemand, der pinkeln muss, aber nicht aus seinem warmen Bett aufstehen will. Eine Ratte huschte durch die Vegetation, und Mellas hörte, wie sie raschelnd weggeworfene C-Ration-Behälter durchsuchte. Er stellte sich vor, wie ihr feuchter Bauch über den Boden schleifte. Er sah zu, wie der Minutenzeiger seiner Uhr seinen erleuchteten Weg zur Elf zurücklegte. Um Punkt elf hörte er weit im Osten etwas: vermutlich eine Arc-Light-Mission – B- 52 -Bomber aus Guam, die so hoch flogen, dass sie nicht zu sehen waren, auf dem Weg nach Osten, wo sie Hunderte von 500 - und 1000 -Pfund-Bomben abwarfen. Die Bombardierung konnte ein kleines Gebiet, in dem man feindliche Truppenkonzentrationen vermutete, in einen tödlichen Glutofen verwandeln, doch Mellas kam das Ganze nur wie steriler Donner ohne Regen vor. Er sah zu, wie der Minutenzeiger an elf vorbeikroch. Die innere Stimme der Pflicht

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