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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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Verbände und ging sie suchen. Er trat in den leicht vibrierenden stählernen Gang. Die langsame Dünung des Südchinesischen Meers war zusammen mit der Vibration der Schiffsmaschinen durch seine Schuhsohlen hindurch spürbar. Durch ein Labyrinth von Gängen und über Treppen, die in unbekannte Bereiche führten, machte er sich auf den Weg ins Schiffsinnere.
    So wie er auf der Highschool Mädchen in fremden Straßen und unbekannten Häusern hatte verschwinden sehen, hatte er in den vergangenen Tagen beobachtet, wohin die Schwestern verschwanden, wenn ihr Dienst zu Ende war. Außerdem hatte er sich gemerkt, dass die rothaarige Schwester Lieutenant K. E. Elsked war.
    Nun arbeitete sich Mellas in der Hitze und der Stille der hallenden, von trüben roten Lampen erleuchteten Decks und Flure näher ans Herz des Offiziersterritoriums heran. Er wusste, dass der Bereich, in dem die Schwestern wohnten, für ihn tabu war. Trotzdem eilte er nervös weiter. Ein Sanitäter und dann ein Matrose begegneten ihm. Beide sahen ihn an, sagten aber nichts, weil er Offizier war. Mellas ging weiter die Gänge entlang. Seine von vielen Stunden im Wasser biegsamen Stiefel wisperten leise über das Metall unter ihm. Er bog um eine Ecke und passierte eine offene Tür. Drinnen sah er flüchtig einen älteren, grauhaarigen Offizier, der gebeugt an einem kleinen Schreibtisch saß. Leicht erschrocken wurde sich Mellas bewusst, dass das der Kapitän des Schiffes war. Er eilte weiter und arbeitete sich, ohne recht zu wissen, wo er war, durch ein verwirrendes Labyrinth von Abzweigungen, wobei er seinem Instinkt vertraute, dass er irgendwann Lieutenant Elskeds Quartier mit ihrem Namen über der Tür finden würde.
    Irgendwann war das auch der Fall.
    Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Wenn sie falsch reagierte, war er in ernsthaften Schwierigkeiten. Er blickte den leeren Flur entlang nach links und rechts, schluckte und klopfte dann.
    Eine Augenblick später hörte man eine an jemand anderen gerichtete gedämpfte Frage, dann ein lauteres: »Wer ist da?«
    Mellas wusste nicht, was er antworten sollte. Seinen Namen hatte er ihr nie gesagt. Ob sie ihn sich vom Operationssaal gemerkt hatte?
    »Wer ist da?«, wiederholte eine zweite, barschere Stimme.
    »Äh, ich bin’s.« Mellas kam sich wenig überzeugend vor. »Der Lieutenant von den Marines.« Er hielt inne und fügte dann rasch hinzu. »T. S. Eliot.«
    Man hörte ein gedämpftes, verärgertes »Wer?« von der zweiten Stimme, dann die Antwort: »Es ist okay. Ich kenne ihn.« Es folgte ein kurzes Schweigen. »Du auch, fürchte ich.«
    Die Tür ging auf. Einen weißen Frotteebademantel am Hals zusammenraffend, spähte Lieutenant Elsked heraus.
    »Was um alles in der Welt machen Sie hier?«, flüsterte sie.
    »Ich muss mit Ihnen über etwas reden.«
    »Was?«, flüsterte sie. »Sie werden gewaltigen Ärger kriegen.«
    »Dann lassen Sie mich rein.«
    Der Griff, mit dem sie den Bademantel zuhielt, wurde fester.
    »Bitte«, flüsterte Mellas. Er sah sie flehend an. »Es ist nicht das, was Sie denken. Ich brauche Hilfe.« Er sah, wie sich ihre Finger leicht entspannten. »Ich brauche jemanden, der weiß, wie der Hase hier läuft. Unter den Leuten, meine ich.«
    Sie hielt einen Moment inne. »Okay.« Sie öffnete die Tür. »Gott, was ich alles für mein Land tue.«
    Mellas schlüpfte hinein.
    Sie schaltete eine Schreibtischlampe an. »Sorry, Kendra«, sagte sie.
    Ein Blick auf die untere Koje zeigte Mellas die Schwester von der Triage. Sie erwiderte den Blick mit verkniffener Miene.
    »Ich glaube, Sie beide kennen einander«, sagte Lieutenant Elsked schelmisch. »Second Lieutenant Mellas, United States Marine Corps.« Sie nickte leicht in Mellas’ Richtung. »Lieutenant der Reserve, richtig?« Sie zeigte den Anflug eines Lächelns. »Darf ich vorstellen, Lieutenant Dunn, United States Navy.« Sie zog einen unter den Schreibtisch geschobenen Stuhl hervor. »Jetzt, da ihr einander vorgestellt worden seid, könntet ihr euch vielleicht beide entspannen.« Sie setzte sich und raffte ihren Bademantel um die Knie zusammen. Deutlich belustigt, lehnte sie sich zurück und steckte die Hände in die Bademanteltaschen. »Keiner von euch beiden ist so schlimm, wie der andere meint«, fügte sie hinzu.
    Dunn funkelte Mellas an. Sie zog sich die Decke bis zum Hals hoch und drehte sich mit dem Gesicht zur Wand.
    Mellas sah Lieutenant Elsked an, die leicht die Schultern zuckte, als wollte sie sagen, sie habe es versucht. Einen

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