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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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anstellen. Wenn wir uns allerdings weigern, Dosen aufzuheben, müssen wir bis in alle Ewigkeit im Müll herumkriechen, oder mindestens so lange, bis die fremden Männer ihr Scheißspiel sattkriegen.«
    Die letzten Sätze musste Mellas zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorpressen. Mit weißen Fingerknöcheln bog er das Buttermesser auf der Tischplatte. »Und einer nach dem anderen« – das Messer bog sich langsam – »werden die Jungs, mit denen man Beeren gepflückt hat, erschossen. Und man selbst stellt sich einfach weiter geschickt an.« Mit jedem Wort wiegte er sich nach vorn. »Und das Scheißspiel geht immer weiter und weiter und weiter.«
    Das Messer in der Hand, blickte er zu ihr auf. In ihm stieg die gleiche Wut auf, die ihn veranlasst hatte, sein K-Bar zu zücken und auf Pflanzen einzuhacken. Er wollte auskeilen und Schmerz hervorrufen. Er stieß die Messerspitze in die Tischdecke und bog die Klinge mit beiden Händen um neunzig Grad.
    Das machte ihr sichtlich Angst. Sie stand auf. »Es tut mir leid, Lieutenant«, sagte sie. »Vielleicht sollte ich …« Sie wollte noch mehr sagen, bremste sich aber.
    Mellas war selbst bestürzt von dem, was gerade passiert war. »Ich bin derjenige, der sich entschuldigen sollte«, sagte er. Nervös legte er das verbogene Messer neben einen Teller, wollte es unbedingt loswerden. Es sah dort sehr sonderbar aus. »Es kommt einfach so raus. Ich komme mir total dämlich vor.«
    Sie griff über den Tisch und legte ihre Hand auf seine. »Seien Sie nicht so streng mit sich. Vielleicht stehen Sie das alles ja genau deswegen durch.« Rasch drückte sie ein paarmal seine Hand. »Wir brauchen weiß Gott alle irgendetwas.« Sie sah ihn einen Moment lang an. »Passen Sie da draußen auf sich auf.« Dann ging sie rasch zur Tür hinaus.
    Mellas war allein mit seinem hämmernden Herzen und seiner unerklärlichen Wut. Er wusste, er hatte seine einzige Chance zunichtegemacht, mit der einen Frau zu reden, die ihm angeboten hatte, was die anderen sich zu geben scheuten. Er wollte ihr nachlaufen, sie festhalten, mit ihr über Liebe und Freundschaft reden. Stattdessen packte er eine Handvoll poliertes Besteck, das auf der weißen Tischdecke lag, und schleuderte es gegen eines der üppig gepolsterten Sofas, die an der Wand standen. Eine Philippino-Ordonanz steckte den Kopf zur Schwingtür der Kombüse heraus. Der Mann zog sich rasch wieder zurück, als er Mellas da stehen und um Fassung ringen sah.
    Schweigend trank Mellas seinen Kaffee aus. Er sah sein Spiegelbild in der polierten Holztäfelung. Es war undeutlich und leicht verzerrt, aber es war er, wie er jetzt war – allein.
    Mellas wollte von dem Lazarettschiff herunter.
    Mellas hatte Angst, in den Busch zurückzugehen.
    Mellas konnte nirgendwohin.
    Sein Marschbefehl kam am nächsten Vormittag. Er hatte sich bis 2000 am nächsten Tag bei seiner Einheit zu melden. Mit dem Eintreffen des vervielfältigten Blattes, auf dem sein Name stand, hatte er wieder Boden unter den Füßen. Die Zeit strömte in sein Leben zurück wie eine unerwartete, aber unvermeidliche Flut. Er war fünf Tage auf dem Schiff gewesen.
    Er machte sich auf, sein Gewehr und Vancouvers Schwert zu holen.
    Der Matrose in der Waffenkammer machte ein gelangweiltes Gesicht. Seine Waffe? Sein M 16 ? Das müsse zur Fünften Marinedivision geschickt worden sein. Da auf der Liste stehe es. Ein Schwert? Keine Ahnung? Schwerter bekomme man hier nicht rein. Die gälten nicht als Waffen.
    Mellas tobte. Der Matrose zeigte Mitgefühl. Mellas verlangte, mit einem Vorgesetzten zu sprechen. Der Matrose verwies ihn an den Verwaltungschef. Der Verwaltungschef verwies ihn an den Versorgungsoffizier. Der Versorgungsoffizier ließ sich die Unterlagen aus dem Archiv bringen. In den Unterlagen stand nichts von einem Schwert. Keine Sorge, es sei wahrscheinlich zusammen mit den Gewehren zur Fünften Marinedivision geschickt worden. Ob er eine Empfangsbestätigung habe? Hier, er solle das Formular für verloren gegangene Ausrüstungsgegenstände ausfüllen. Schließlich handele es sich um eine Waffe.
    Niedergeschlagen und mit einem Gefühl der Ohnmacht kehrte Mellas auf die Station zurück. Beim Abendessen war er in gedrückter Stimmung. Alle am Tisch wussten, dass er am nächsten Morgen in den Busch zurückkehrte. Bald würde er kein Problem mehr darstellen. Alle waren höflich. Die rothaarige Schwester war nicht da.
    Gegen Mitternacht streifte sich Mellas behutsam seine Kleider über die

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