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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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ansehen. Bei den Marines kriegen sie nur eine Auszeichnung, wenn Ihre Tapferkeit über den ganz normalen Job hinausgeht.« Dann sah er Mellas an. »In Situationen, für die es Auszeichnungen gibt, gerät man, weil man Pech gehabt hat und das ausbügeln muss, oder weil man dämlich war und das ausbügeln muss. Überlegen Sie sich genau, was Ihnen lieber wäre.«
    »Ich will mich nicht bei Ihnen unbeliebt machen«, sagte Mellas. »Ich wollte bloß …«
    »Hören Sie auf, ja?« Hawke wandte sich Mellas zu. Mit völlig gelassener Stimme sagte er: »Mellas, ob Sie sich bei mir unbeliebt machen wollen oder nicht, ist mir scheißegal. Mich interessiert bloß, ob Sie welche von meinen Freunden umbringen oder nicht, und im Augenblick bin ich mir da nicht so sicher.«
    Das Zischen der Brennstofftablette in dem Kocher erschien sehr laut.
    Mellas gab als Erster nach. »Okay, ich wollte eine Auszeichnung. Das heißt aber nicht, dass Rider und Conman keine verdient hätten.«
    Als Reaktion auf diese Ehrlichkeit entspannte sich Hawke ein wenig. »An Hartnäckigkeit fehlt’s Ihnen jedenfalls nicht.« Er seufzte. »Jeder will eine Auszeichnung. Das ist keine Sünde. Als ich hierhergekommen bin, wollte ich auch eine. Es ist nur so: Wenn man lange genug hier ist, um zu erkennen, was sie einen kostet, kommt sie einem längst nicht mehr so glänzend vor.« Er blickte kurz auf, um festzustellen, ob Mellas verstanden hatte. Dann gab er zwei Beutel Instantkaffee und zwei Beutel Zucker in das kochende Wasser. Er rührte mit einem Stock um.
    »Entschuldigung«, sagte Mellas.
    Hawke wurde sichtlich milder gestimmt. Er reichte den dampfenden Becher nach oben und lächelte. »Scheiße, Mellas, trinken Sie das. Es heilt alle Übel, auch Ruhmsucht und Ehrgeiz. Das Einzige, was an einem Tadel wehtut, ist die Wahrheit.«
    Mellas nahm den Kaffee und lächelte. »Benjamin Franklin.«
    »Quatsch. Mein Onkel Art, der Dichter.«
    »Benjamin Franklin. Ihr Onkel hat abgekupfert.«
    »Ja? Typisch. Bei Onkel Arthur weiß man nie. Wir sind ja nicht mal sicher, dass Großmutter ihn von Großvater hat.«
    Die beiden schwiegen. Mellas nahm einen Schluck, bemüht, sich an dem heißen Metall nicht die Lippen zu verbrennen, und gab Hawke den Becher zurück.
    »Vielleicht können wir dafür sorgen, dass Rider wegen besonderer Verdienste zum Lance Corporal befördert wird«, sagte Hawke. »Dann kriegt er ein bisschen mehr Geld. Allerdings müssten Sie den Bericht so abfassen, als wär’s ’ne Mischung aus Chapultepec und Belleau Wood und Rider ein zweiter Chesty Puller.«
    »Wie lang soll er sein?«
    »Sehe ich vielleicht aus wie ein Englischlehrer?«
    »Kann ich Ihnen nicht mal eine ernsthafte Frage stellen?«
    »Warum sind Sie bloß immer so scheißernsthaft?«, fragte Hawke.
    »Bin ich gar nicht immer.«
    »Ich auch nicht.«
    Während die beiden dastanden und einander musterten, nahmen sie mit einem Mal den Menschen hinter dem Dienstgrad wahr.
    »Goodwin hat gesagt, Sie wären in Harvard gewesen«, sagte Hawke.
    »Ich war in Princeton.«
    »Scheiße, ist doch alles eins. Dieselben feinen Pinkel in Mokassins, dieselben scheißkommunistischen Seminare.« Er reichte Mellas wieder den Kaffee.
    Mellas nahm zwei Schlucke und reichte den Becher zurück. »Wo sind Sie aufs College gegangen?«, fragte Mellas, unsicher, wie er fortfahren sollte.
    Hawke nahm einen Schluck und leckte sich über die Oberlippe. »C hoch vier.«
    »Wie?«
    »Cape Cod Community College. Die beiden letzten Jahre war ich auf der U Mass.«
    Mellas nickte und hockte sich auf die Fersen, womit er unbewusst all die anderen Busch-Marines imitierte, die das taten, um sich nicht den Hosenboden nass zu machen.
    »Was haben Sie überhaupt im Corps verloren?«, fragte Hawke. »Ihr Typen aus der Efeu-Liga habt doch genug Kohle, um euch rauszukaufen. Ärzte, Psychiater, Aufbaustudiengänge, homosexuelle Neigungen … Herr des Himmels.« Er sah Mellas argwöhnisch an. »Verscheißern Sie und Goodwin mich, was die Uni angeht, auf der Sie waren?«
    Mellas hielt inne, um die Antwort wie üblich sorgfältig abzuwägen. »Eingetreten bin ich mit siebzehn, bevor ich aufs College gegangen bin. Ich bin in einer kleinen Holzfällerstadt in Oregon aufgewachsen, und dort leistet jeder halbwegs anständige Kerl seinen Dienst. So hieß das dort – Dienst. Damals gab es keinen Krieg, und ich bin mit einem Stipendium aufs College gegangen und hab auch im Sommer mein Geld bekommen. Sie haben mich zum Lance Corporal der

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