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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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Insignifikant.«
    »Was, glaubst du, ich bin irgendein dämlicher Baumwollpflücker, der sich nicht ausdrücken kann, bloß weil ich so rede wie jemand aus Mississippi?«
    Williams lächelte ihn an. »People of Color«, sagte er. »Peh-oh-zeh.« Er hielt inne, dann sagte er: »Poc.« Kurzes Schweigen, dann: »Poc, poc.« Es klang wie das Geräusch eines Perkolators, dessen Wasser gerade zu kochen beginnt.
    Cortell schüttelte den Kopf und lächelte über die Albernheit.
    Williams war plötzlich wieder aufgesprungen. »Poc, poc, poc.« Er hatte den Kopf zurückgeworfen, und nun hörte sich das Geräusch an wie das Gackern eines Huhns auf dem Hof. »Poc, poc, poc-poc-poc.« Er ging halb geduckt, den Hals vorgereckt, die Hände mit seitwärts abgespreizten Ellbogen unter die Achselhöhlen gesteckt. »Poc, poc, poc, poc.« Er krähte und stolzierte. Überall in den Stellungen drehten Leute den Kopf und wandten sich dann wieder ihrer jeweiligen Beschäftigung zu.
    Cortell schaute zu Boden gab sich alle Mühe, nicht laut loszulachen. »Mach den Scheiß bei einem von den anderen Brothers, und sie drehen dir den Hühnerhals um.«
    »Poc.« Williams setzte sich hin. »Poc, poc.«
    »Ich weiß, du bist nur ein bescheuerter Blanco aus Idaho, also muss ich dich nicht umlegen«, sagte Cortell, »aber mach dich vor den falschen Brothers ja nicht über was Ernsthaftes lustig oder zieh diese Poc-poc-Nummer ab, sonst steckst du ernsthaft in der Scheiße.«
    »Ernsthaft?«, sagte Williams. »Ernsthaft?« Er hob die Arme und schloss damit alles um sich herum ein. »Das da ist ernsthafte Scheiße. Alles andere ist Ziegenkacke.«
    Sie machten sich wieder an das Zusammensetzen ihrer Gewehre. Bis jetzt war Cortell noch nie in den Sinn gekommen, dass Freundschaft möglich war, Freundschaft im Gegensatz zum bloßen Miteinander-Auskommen. Ihm war auch noch nie in den Sinn gekommen, dass Freundschaft nicht möglich war. Der Gedanke hatte sich einfach nie eingestellt. Williams war schlicht und einfach eine gegebene Tatsache gewesen, wie der Dschungel oder der Regen. Er fing an, darüber zu grübeln. Wie konnte ihm etwas in den Sinn kommen, das vorher nicht in seinem Bewusstsein gewesen war? Es musste schon vorher da gewesen sein – sonst hätte es nicht plötzlich auftauchen können –, aber es musste irgendwo versteckt gewesen sein. Wo war der Ort im Bewusstsein, wo sich dieser ganze Kram versteckte? War es das, was die Leute meinten, wenn sie vom »Geist Gottes« sprachen? Aber das hieße ja, dass Gottes Geist irgendwo in ihm war – und wohin ihn sein Kopf da führte, machte ihm ein wenig Angst. Er musste sich ein ruhiges Plätzchen suchen, so wie er es immer tat, wenn ihm solche Fragen Angst machten; er musste mit Jesus darüber reden. Vielleicht konnte er ja irgendwann mal mit dem Bataillonskaplan sprechen, wenn sie aus dem Busch rauskamen. Er fragte sich, ob der neue Lieutenant die Antwort wusste. Irgendwer hatte gesagt, er wäre auf dem College gewesen, und dort mussten sie einem ja wohl auch was über Gott beibringen, oder? Dann fing er an, sich zu fragen, wer diese sie waren.
    »Vielleicht auch nur Hühnerkacke«, erwiderte er Williams. Wie üblich war die Zeitspanne zwischen dem, was jemand zuletzt gesagt hatte, und seiner eigenen Antwort darauf mit all diesen Gedanken gefüllt gewesen, aber sie kamen so rasch, dass sein Gesprächspartner keinerlei Innehalten bemerkte. Cortell ging davon aus, dass das bei jedem so war.
    Nach einer Weile sagte Williams: »Also, um noch mal auf das Großwerden zu etwas zurückzukommen. Oder zu jemandem. Ich weiß nicht. Ich meine, denkst du da an jemand Bestimmten? Martin Luther King oder Cassius Clay oder so jemand?«
    Cortell schaute zu den dunkler werdenden Wolken auf. »Nein. Ich hab Jesus. Der ist mein Was.«
    »Ja, aber Jesus ist weiß.«
    »Nein. Er ist ein brauner Jude. Das hat Gott genau richtig gemacht.«
    Während sie an den Bunkern arbeiteten, erhaschte Mellas ab und zu flüchtige Blicke auf Simpson und Blakely, aber keiner von beiden kam je zu den Stellungen herunter, sodass es unmöglich war, mit ihnen zusammenzutreffen, ohne dass es nach Absicht ausgesehen hätte. Gegen Mittag des nächsten Tages flaute das Unwetter zu dem üblichen Nieselregen ab, und in der Mittagspause versuchte es Mellas auf andere Weise.
    Als er die Bergkuppe erreichte, wuchteten ein paar Artillerieleute gerade eine der schweren 105 -Millmeter-Haubitzen in ein neues Geschützloch. Sämtliche Bäume waren

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