Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
Vom Netzwerk:
Gedanken herumschlug. Er sah, wie Hippys Kiefermuskeln arbeiteten, um Frustration und Erschöpfung im Zaum zu halten.
    »Ja, das Gold, das Scheißgold, oder das Öl oder Uran. Irgendwas. Herrgott noch mal, irgendwas, wegen dem wir hier draußen sind. Einfach irgendwas. Dann würde ich’s kapieren. Bloß irgendwelches Scheißgold, damit das alles irgendeinen Sinn ergibt.«
    Mellas gab keine Antwort. Er starrte lange auf den Dschungel. »Ich weiß nicht«, sagte er schließlich. »Ich wünschte, ich wüsste es.«
    »So ist das«, sagte Jake. Er stieß die Schulterstütze seines Gewehrs in den Boden und stemmte sich hoch.
    Mellas stand mit ihm auf. »Hören Sie, Jake, ich weiß, es ist hart, aber ein bisschen Tageslicht haben wir noch. Besorgen Sie sich was zu essen und sehen Sie zu, dass Sie vor Einbruch der Dunkelheit noch ein paar Sandsäcke als Fundamente für die Dächer gefüllt kriegen.«
    Jake sah Mellas dumpf an, bemüht, das alles zu begreifen. Dann machte er ohne ein Wort kehrt, um den Befehl an die Führer der Trupps weiterzugeben.
    Das Licht schwand, und in den Stellungen wurde es ruhig, während die Kompanie in den abendlichen Bereitschaftszustand überging. Williams und Cortell, die neben Johnson an ihrem eigenen Bunker gearbeitet hatten, reinigten im noch verbliebenen Licht ihr M 16 . Die beiden waren zusammen, seit sie ins Landesinnere gekommen waren. Cortell, Jancowitz’ Zweiter Truppführer, war klein und wäre, besser ernährt, rundlich gewesen. Sein leicht zurücktretender Haaransatz ließ ihn älter als seine neunzehn Jahre wirken. Williams, hochgewachsen und langgliedrig, mit den großen Händen eines Ranchers, war körperlich das genaue Gegenteil von Cortell. Was sie neben dem Marine Corps und acht Monaten Kampfeinsatz gemeinsam hatten, war die Farmarbeit, obwohl sie für den einen Baumwolle im Mississippi-Delta und für den anderen Hereford-Rinder und Heu bedeutete.
    Cortell fand diesen Jungen aus Idaho sympathisch. Bis zu seinem Eintritt bei den Marines hatte er mit Weißen nur gesprochen, um sich zu entschuldigen oder irgendwelche Alltagsgeschäfte zu erledigen. Sogar während der Grundausbildung waren die Weißen und die Schwarzen in den kurzen Momenten, die das Marine Corps ihnen an Freizeit zugestand, weitgehend für sich geblieben. Und nun waren sie hier. Er konnte sich nie ganz daran gewöhnen und rechnete damit, dass Williams sich eines Tages weigern würde, neben ihm zu sitzen, oder aus nichtigem Grund auf ihn losgehen würde. Aber Williams tat das nie. Heute jedoch spürte Cortell etwas anderes bei Williams, nichts Gefährliches oder Böswilliges, sondern etwas Befangenes und Gehemmtes. Er ließ es darauf ankommen.
    »Ist irgendwas, Will?«
    Williams hielt das Griffstück des Maschinengewehrs hoch, um es zu inspizieren.
    »Ja, aber …«
    »Aber was?«
    »Ich weiß nicht.«
    Cortell wartete. Er wusste, dass zu warten, oft am besten war.
    »Ich meine, ich weiß, dass Cassidy und Ridlow und Bass dir deswegen ständig an den Karren fahren. Aber … ich finde, du tust es wirklich. Mit ihnen rumkumpeln, meine ich. In der VCB bleibt ihr auch immer unter euch. Sogar hier draußen hängst du ständig mit Jackson und den anderen Negern rum.«
    »Wir sind keine Neger mehr«, warf Cortell nicht unfreundlich ein.
    »Na ja, was ihr eben seid. Ich meine … der Scheiß bringt euch doch überhaupt nichts.«
    Cortell setzte sorgfältig den Lauf des M 16 ein. »Ich wette, du denkst, wir machen da drüben so ’ne Art Voodoo oder so was. Hecken irgendwelche Black-Power-Komplotte aus.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Williams. »Ich bin ja nicht dabei.«
    »Tja, ich enttäusch dich nur ungern, du dummer Cowboy, aber wir denken noch nicht mal an Weiße, wenn wir rumkumpeln.« Cortell stieß sein charakteristisches Kichern aus. »Hast du mal die Geschichte vom hässlichen Entlein gehört?«
    »Ich bin vielleicht aus Idaho, aber unsere Mütter erzählen uns auch Märchen.« Er hielt den Lauf seines M 16 ins schwindende Licht und spähte hindurch, um ihn auf Schmutz zu überprüfen. Zufriedengestellt, begann er, das Gewehr zusammenzusetzen.
    »Na ja. Du kennst doch Jesus«, sagte Cortell. »Der hat in Gleichnissen geredet. Weißt du, wieso? Weil, wenn man in Gleichnissen redet, dann findet der Zuhörer die richtige Antwort, und nicht das, was der, der redet, für die richtige Antwort hält. So weit klar?«
    Williams nickte.
    »Ich wette, du denkst, die Geschichte handelt von einem hässlichen kleinen Kind,

Weitere Kostenlose Bücher