Matterhorn
verschwunden. Auf der Kuppe stapelten sich Kanonen, Kisten und Maschinen. Das Matterhorn sah aus wie ein Flugzeugträger in einem Dschungelmeer.
Mellas sah das Büschel von Funkantennen über dem neuen Befehlsstandsbunker des Bataillons und schob sich geduckt durch die kleine Öffnung. Zwei zischende Coleman-Laternen erleuchteten das düstere Innere; die Luft war warm und roch nach dem Brennstoff. Ein Lieutenant steckte Markierungen auf einer Landkarte um. Er runzelte die Stirn. Mellas gab sich rasch als Offizier zu erkennen. »Hi«, sagte er. »Lieutenant Mellas, Bravo One.« Er setzte sein freundlichstes Lächeln auf.
Die Miene des Wachoffiziers hellte sich auf. »Bif Stevens, Artillerieverbindungsoffizier. Zweiundzwanzigste Marine.« Er hielt ihm die Hand hin, und als Mellas sie ergriff, fiel ihm auf, wie glatt und sauber sie war. Sie plauderten miteinander, Mellas stellte intelligente Fragen, und Stevens antwortete, offenbar froh darüber, dass wenigstens einer von den Infanteristen sich tatsächlich dafür interessierte, was er für sie tat. Mellas überlegte, nur zum Spaß zu fragen, ob der andere irgendwas Hochprozentiges hatte, bloß damit es so aussah, als wäre das der eigentliche Grund für sein Interesse, aber er entschied sich dagegen. Irgendwie war ihm der Typ sympathisch.
»Gibt es viele Leute wie Fitch?«, fragte Mellas irgendwann. »Ich meine, Lieutenants, die Kompaniechefs sind?«
»Nein, nicht viele«, antwortete Stevens. »Bei den Kampftruppen vielleicht einen pro Bataillon. Bei Hauptquartier- und Nachschubkompanien ein paar, die sich vom Unteroffizier hochgedient haben. Aber das ist reines Glück.«
»Wieso das?«
»Na ja. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Stellvertretender sein, wenn der Kompaniechef fällt oder versetzt wird. So was in der Art.«
»Glauben Sie, Hawke kriegt Bravo, wenn Fitch geht?«
»Wie gesagt, wenn das Timing stimmt – und er verrückt genug ist, im Busch bleiben zu wollen. Inzwischen ist er für die Etappe überfällig. Grundsätzlich will man, dass so viele Lieutenants wie möglich Kampferfahrung sammeln. Sobald wir welche bekommen, wird Hawke irgendwohin versetzt. Für Captains gilt das Gleiche. Die fehlen uns natürlich auch.«
»Ja, die sind alle gefallen, als sie noch Lieutenants waren«, witzelte Mellas.
Mellas legte Stevens’ Informationen über die für Versetzungen und die Besetzung von Kommandos geltenden Grundsätze in dem Teil seines Gedächtnisses ab, der sich mit Machtfragen beschäftigte. Das geschah bei ihm so automatisch, wie ein Farmer den morgendlichen Wetterbericht und den Geruch der Luft registrierte und dann eine Woche früher mit der Ernte begann, um den für die Jahreszeit untypischen Regenfällen zuvorzukommen.
Mit einem Schwall von Licht und kalter Luft schoben sich zwei Männer durch den mit einer Decke verhängten Eingang. Einer war gepflegt und gut aussehend, ja attraktiv, und trug das Goldlaub eines Majors. Der andere war klein, verhutzelt und zäh, sein Gesicht zugleich jung und alt, zerfurcht von Falten, die davon kündeten, dass seinem Körpers Extremes abverlangt und vielleicht zu viel Alkohol zugeführt worden war. Silberlaub schimmerte an einem ordentlich gestärkten Kragen. Mellas war begeistert. Das war Lieutenant Colonel Simpson, Big John Six.
Er bedachte Mellas mit einem fragenden Blick. Major Blakely dagegen erwiderte Mellas’ Lächeln. »Wen haben wir denn hier, Stevens?«, fragte er.
»Lieutenant Mellas von der Bravo-Kompanie, Sir«, erwiderte Stevens.
»Ahhh. Einen von unseren neuen Tigern. Ich bin Major Blakely, der Three des Bataillons. Darf ich Ihnen Lieutenant Colonel Simpson vorstellen, unseren Bataillonschef.« Blakely gab Mellas die Hand. Dieser kam sich schmutzig und ungepflegt vor.
Simpson reichte ihm eine kleine Hand. Ihr Druck war überraschend kräftig. Er ächzte leise. »Willkommen an Bord, Mellas. Sind Sie ein Oh Three?«, fragte er und erkundigte sich damit nach der militärischen Verwendung innerhalb der Infanterie.
»Ja, Sir«, erwiderte Mellas und lachte. »Sieht so aus, als hätten Sie mich sehr viel länger als neunzig Tage am Hals.«
»Gut«, sagte Simpson mit einem zufriedenen Knurrlaut. »Sind Sie Berufsoffizier?«
»Nein, Sir, noch nicht.« Mellas hielt inne und setzte eine »Junger Mann am Scheideweg«-Miene auf. »Ich bin am Überlegen, aber ich überlege mir auch, Jura zu studieren.«
»Überbezahlte Sesselfurzer«, sagte Simpson, »und Schlappschwänze.« Er ging
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