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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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aus, und Pat trottete ihm nach. Mellas ging weiter die Reihe von Marines entlang und blieb stehen, als er bei Pollini ankam, der die Mörsergranaten an seinem Marschgepäck neu verzurrte. Er erinnerte Mellas an eine Maus, die geschäftig versucht, in einem mit Unrat übersäten Nest für Ordnung zu sorgen.
    Pollini blickte zu ihm auf. »Hallo, Lieutenant Mellas, Sir.« Er hatte sein breites Grinsen aufgesetzt. Sein Gesicht war mit Dreck verschmiert.
    »Pollini, waschen Sie sich eigentlich jemals?«, fragte Mellas ruhig.
    Pollini griff sich mit einer dreckigen Hand ins Gesicht, rieb sich damit über die Wange und betrachtete sie dann, aber die Hand zeigte natürlich nichts Neues. Er hatte die breiten Hände eines alten Zimmermanns, mit großen gelben Nägeln, doch das Gesicht unter dem Wust krauser schwarzer Haare war das eines Chorknaben, der in den Matsch gefallen ist. Er blickte zu Mellas auf und grinste erneut. »Ich hab mich heute Morgen gewaschen, Sir, und rasiert hab ich mich auch.«
    Jackson war zu ihnen herübergekommen, und seiner Miene war die Verärgerung darüber anzusehen, dass Pollini nicht marschfertig war. »Shortround, du hast dich heute Morgen nicht rasiert«, sagte er. »Du hast dich überhaupt noch nie rasiert.«
    »Hab ich wohl.« Pollini stand auf. »Frag Cortell.« Er wandte sich Mellas zu. »Ich hab mich wirklich rasiert.«
    Jackson kniete sich neben Pollinis zerfleddertes Marschgepäck und begann, Kabel nachzuspannen und Gegenstände festzubinden. »Shortround, verflucht noch mal«, sagte er und schob ein Kabel an die richtige Stelle. »Lieutenant, ich schwör’s, vor drei Minuten war alles noch sauber verpackt.«
    »Ich musste noch …«, begann Pollini.
    Jackson hielt inne. »Was hast du noch gemusst?«
    »Bloß was rausholen.«
    »Shortround, isst du etwa deinen Proviant?«
    Pollini grinste. Grinsen war sein wichtigstes Verteidigungsmittel gegen alle Größeren und Klügeren. »Bloß ’ne Dose Pfirsiche. Ich hab heute Nacht Horchposten gehabt und das Frühstück verpasst.«
    »Warum hast du das Frühstück verpasst?« Jackson wandte sich an Mellas. »Ich hab ihm zwanzig Minuten gegeben, während wir die Alarmleuchtkörper und Claymore-Minen eingesammelt haben, Sir.«
    »Schon gut, Jackson.« Mellas wandte sich an Pollini. »Sie wissen doch, dass Sie allen Proviant brauchen, den Sie tragen können. Warum haben Sie sich nicht einfach was aus den Kisten genommen, die hier rumliegen?«
    »Ich weiß nicht, Sir.«
    »Du weißt es nicht, weil du scheißdämlich bist«, sagte Jackson. »Und jetzt krieg deinen Kram auf die Reihe. Wo sind die Pfirsiche?«
    Pollini langte in eine große Tasche. Sein Tarnanzug, der die kleinste Größe hatte, saß an ihm wie ein Clownskostüm. Er zog die Dose hervor und gab sie Jackson, der sie in Pollinis prallvolles Marschgepäck stopfte und wütend Platz dafür schuf.
    Pollini sah aus, als würde er gleich zu weinen anfangen. »Ich bin nicht dämlich«, sagte er.
    »Scheißdämlich bist du«, sagte Jackson.
    »Das reicht jetzt, Jackson«, sagte Mellas.
    Er wandte sich an Pollini. »Shortround, Sie sollten endlich lernen, Ihren Verstand zu gebrauchen. Die Hubschrauber kommen in ungefähr fünf Minuten, und Sie trödeln hier rum und essen außerdem noch Ihren Proviant auf.«
    »Ich hab kein Frühstück gekriegt.« Pollini fühlte an die Wand gedrängt und stellte sich auf die Hinterfüße.
    Mellas spürte, dass seine Geduld erschöpft war. Er hatte Mühe, die nötige Ruhe zu bewahren. »Sehen Sie zu, dass er marschfertig ist, Jackson«, sagte er. Er hatte beschlossen, das Thema besser fallen zu lassen. Er ging weg und ließ sich wieder auf dem Boden nieder. Er machte die Augen zu und hoffte, dass es so aussah, als wäre er eingeschlafen. Ganz allmählich drang das Dröhnen eines oberhalb der Wolken fliegenden Flugzeugs in sein Bewusstsein. Dass es ein Flugzeug und kein Hubschrauber war, erkannte er an der Gleichmäßigkeit des Dröhnens und dem Fehlen des tonlosen, dumpfen Klatschens, das die Rotoren eines Hubschraubers in der Luft machten. Er blickte von der Stelle auf, an der er lag, sah nichts und suchte mit dem Interesse eines Gelangweilten, dem jede Ablenkung recht ist, den Bereich ab, aus dem das Geräusch kam. Einen Moment lang erhaschte er einen Blick auf ein großes Flugzeug, ein kurzes Aufblitzen von Bleigrau in der Wolkendecke. Dann verschwand es wieder. Es schien Schleifen zu fliegen und dabei an Höhe zu verlieren. Als es schließlich aus der

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