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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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Unterhalb davon waren steile, waldbedeckte Hänge zu sehen, in die breite Wasserläufe eingeschnitten waren. Der Dschungel endete am Talgrund und wurde von Elefantengras abgelöst. Die Karte bestand aus einem wirren Ineinander von Höhenlinien. An manchen Stellen waren die Höhenlinien nicht einmal geschlossen – die Kartografen hatten aufgegeben.
    Der Hubschrauber neigte sich zur Seite, und der Ton der Rotorblätter veränderte sich. Das Dröhnen der Maschine nahm zu. Wieder spürte Mellas ein Pochen im Hals. Das Gras stürzte ihnen entgegen, und seine illusionäre Glätte verwandelte sich in eine drei Meter hohe Wirklichkeit. Der Hubschrauber landete krachend und warf alle auf ihr Hinterteil. Die Luke ging auf, und sie drängten hinaus, trafen im Laufschritt auf das niedergedrückte Gras unter ihren Füßen. Mellas wandte sich sofort nach links und begann, jeden an der ihm zugewiesenen Stelle in der Zone zu platzieren.
    Nichts passierte. Über Gewehrläufen, die nach außen ins Gras gerichtet waren, zeigten sich lächelnde Gesichter. Ein paar Minuten später sah Mellas, wie Fitch und Hawke über die LZ auf die Befehlsstandsgruppe der Charlie-Kompanie zurannten. Mellas ging zu ihnen hinüber. Er sah, dass die Jungs der Charlie-Kompanie vollkommen erschöpft waren und ihre Kleidung ihnen feucht und dunkel am Körper klebte. Ihre Dschungelfäule war schlimmer als alles, was Mellas auf dem Matterhorn gesehen hatte.
    Er sah einen Funker und ging auf den daneben auf dem Boden Liegenden zu, der nach einem Zugführer aussah. Er blickte müde zu Mellas auf. Er hatte ein rundes Gesicht und trug einen kurzen dichten Schnurrbart. Sein Rang ließ sich nur erahnen, aber er schien die Führung innezuhaben. »Hallo. Ich bin Lieutenant Mellas. Erster Zug, Bravo-Kompanie. Ihr seht müde aus.«
    Der Mann kratzte sich am Ohr und schnitt eine Grimasse. Er streckte eine fleischige Hand aus. »Ich bin Jack Murphy. Charlie One. Wir sind vor zwei Tagen gestorben, und ich habe postmortale Halluzinationen, dass ich auf einer LZ sitze und darauf warte, von diesem Scheißort wegzukommen. Das ist Somerville.« Er deutete auf den Funker. »Er ist in Wirklichkeit auch nicht hier.« Sein Gesicht zuckte, und sein Kopf tat einen kurzen Ruck. Er schien sich dessen ebenso wenig bewusst zu sein wie sein Funker.
    »Die haben uns durch die Gegend gescheucht wie die Bescheuerten«, sagte Somerville.
    »Wie ist das Gelände?«
    »Furchtbar«, sagte Murphy. Wieder das Zur-Seite-Rucken des Kopfes und das Zucken im Gesicht. »Scheißberge. Felswände. In Scheißwolken gehüllt.«
    Mellas tat so, als nähme er den Tick nicht wahr. »Schwierige Nachversorgung, nehme ich an.«
    »Nein. War ganz einfach.«
    »Ach ja?«
    »Es hat keine stattgefunden.«
    »Ach so.« Mellas kam zu dem Schluss, dass Murphy keine Lust zum Reden hatte. Aber er brauchte Informationen. »Ich hab gehört, ihr seid angegriffen worden.«
    »Stimmt.«
    »Was genau ist passiert?«
    Murphy ächzte und richtete sich in Sitzhaltung auf. Dabei wuchtete er sein Marschgepäck mit hoch, als wäre es ein Teil seines Körpers. Dann kam er taumelnd auf die Beine. Er war etwa fünf Zentimeter größer als Mellas. Er deutete in das Elefantengras, auf etwas, was nicht zu sehen war. »Da drüben wird die Gegend richtig steil, jede Menge Scheißbäche und so was. Habt ihr Seile?«
    »Ja. Eins pro Gruppe.«
    »Gut«, sagte Murphy. »Also, vier Tage von hier, vielleicht auch weniger, wenn ihr unserem Weg folgt und riskiert, in einen Hinterhalt zu geraten, gibt’s einen richtig steilen Scheißberg. Die Gooks haben dort Stufen rausgehauen, also haben sie offensichtlich jede Menge Zeit gehabt, Bunker anzulegen. Der vorderste Mann und noch einer sind den Berg raufmarschiert, und sofort war die Kacke am Dampfen. Die Gooks haben beide und noch zwei andere erwischt.«
    »Habt ihr auch welche erwischt?«
    »Scheiße, wer weiß das schon?« Murphy erzählte Mellas die Geschichte. Sie hatten weit auseinandergezogen entlang einem Fluss gestanden, der unmittelbar am Fuß eines Bergs verlief. Das Gelände war nicht einmal für Ziegen geeignet. Gedeckt vom Feuer ihrer M 79 -Granatwerfer, hatten sie die Getroffenen geborgen und waren nicht weitergegangen. Sie hatten rasch eine Landezone errichten müssen, damit die Verwundeten evakuiert werden konnten. Der Monsun hatte auf sie eingedroschen, und da es in diesem unmöglichen Gelände ohnehin keine geeignete Stelle gegeben hatte, waren sie so rasch wie möglich bergab

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