Matterhorn
wog dieser fast sechzig Pfund. Außerdem hatte er seine Handgranaten, zwei Stoffgurte mit Munition und vier Feldflaschen mit Wasser. Dennoch war seine Last immer noch leichter als die der meisten Jungs. Er musste nicht noch Maschinengewehrmunition, zusätzliches C 4 , Alarmleuchtkörper, Claymore-Minen und Seil mit sich schleppen. Die Maschinengewehrschützen und die Funker hatten besonders schwere Lasten zu tragen, und erst recht die Mörsergruppe, bei der jeder Mann nicht nur sein Gewehr und seine persönliche Ausrüstung, sondern auch sieben oder acht Granaten und ein schweres Teil der zerlegten Mörser schleppte, zu denen sechzehn Pfund schwere Zweibeine, unhandliche, dreizehn Pfund schwere Bodenplatten aus Stahl sowie die langen, schweren Mörserrohre selbst gehörten.
In dieser Nacht leuchtete der schwache rote Schimmer von Taschenlampen mit roter Blende durch Ponchofutter hindurch, während letzte Briefe nach Hause geschrieben wurden. Auch Mellas schrieb, um einen fröhlichen Ton bemüht. Aber vom Matterhorn abzurücken, erfüllte ihn mit unguten Vorahnungen.
Kapitel 5
O ben in der Landezone, im Befehlsstand des Bataillons, herrschte eine ganz andere Stimmung. Lieutenant Colonel Simpson hatte eine zweite Flasche Wild Turkey geöffnet und schenkte dem abgespeckten Stab, der mit ihm auf die Bergkuppe gekommen war, großzügig ein.
»Ich rieche sie, verflucht noch mal«, sagte Simpson und goss Blakely und Stevens nach. »Ich rieche sie.« Flackernd warf das Licht der zischenden Coleman-Laternen die Schatten der fünf Offiziere auf die Wände des Bunkers, die um die C-Ration-Kisten kauerten, die ihnen als Kartentisch dienten. Blakely trank seinen Bourbon pur, aber Stevens mochte das Zeug nicht sonderlich und mischte es mit reichlich 7 - UP , um den Geschmack zu übertönen. Wenn der Colonel zu trinken anfing, mussten die anderen mithalten. Rangniedrigere Offiziere hörten erst auf zu trinken, wenn der Colonel aufhörte – so die Etikette. Captain Banford, der Luftwaffenverbindungsoffizier, und Captain Higgins, der Nachrichtenoffizier, saßen müde auf dem Boden, mit dem Rücken an die Bunkerwand gelehnt, ohne richtig zu der Gruppe um die Karte zu gehören. Sie versuchten, wach zu bleiben. Auch die Bataillonsfunker bekamen ihren Whiskey – Simpson behandelte die niedrigen Chargen gewiss nicht schlechter –, aber sie hielten Distanz, waren still und überwachten den sporadischen Funkverkehr der Nacht.
»Tja, Sir«, sinnierte Blakely laut, »wir haben einen Kompromiss erreicht. Können uns nicht beklagen.«
»Nein, weiß Gott«, sagte Simpson. »Zwei Kompanien im Busch ist besser als gar keine.« Er hielt inne, stürzte sein Getränk hinunter und schmatzte mit den Lippen. »Gottverflucht, ist das guter Whiskey.«
»Ja, Sir«, pflichtete Blakely bei und nahm ebenfalls einen allerdings kleineren Schluck. Er wusste, falls sie innerhalb der nächsten paar Tage irgendetwas in dem Tal fanden, dann wäre nachgewiesen, dass nördlich von ihnen feindliche Truppen operierten, und General Neitzel wäre gezwungen, etwas dagegen zu unternehmen. Das Matterhorn bildete das westliche Ende von Mutter’s Ridge, einem Angriffsweg ins dicht bevölkerte Flachland. Ganz gleich, wie stark er den politischen Druck spürte, durch den fast das ganze Regiment sich auf die Operation bei Cam Lo konzentrierte, er würde reagieren müssen. Blakelys Gedanken schweiften zu einer imaginären Szene im Divisionshauptquartier ab, wo er Stabschef war und den General über die politische Lage und ihre Wechselwirkung mit der strategischen Lage unterrichtete. Er musste über seinen Tagtraum lächeln. Simpson hatte recht. Dieser verdammte Wild Turkey wurde immer süffiger.
Im Geist ging Blakely noch einmal den geplanten Austausch durch. Ursprünglich war alles ganz einfach gewesen. Der ursprüngliche Auftrag – rumschnüffeln und Informationen sammeln – sollte mit den beiden Kompanien im Tal fortgesetzt werden. Charlie tauschte mit Bravo auf dem Matterhorn, und Alpha tauschte mit Delta auf dem Eiger. Dann kam die Idee mit der gequirlten Scheiße bei Cam Lo, worauf sich alles zwecks Vorbereitung in die VCB zurückzog. Also musste der Plan geändert werden. Dann hatten Mulvaney und Simpson diesen Kompromiss geschlossen. Bravo und Delta jetzt ins Tal anstatt in die VCB . Der Plan musste also wieder geändert werden. In seinem Gedächtnis tauchte eine Frage auf. Wann war Delta auf dem Eiger eigentlich zum letzten Mal mit Proviant versorgt worden?
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