Matterhorn
einem der anderen Träger. Mellas konnte den Blick nicht von dem Toten wenden, der sich bleich und aufgedunsen vom dunklen Morast des Pfades abhob.
»Woran ist er gestorben?«, fragte Mellas.
»Offiziell an Lungenentzündung«, antwortete der Lieutenant. »Konnten ihn nicht ausfliegen lassen. Keine Vögel.«
»Quatsch. Fertiggemacht haben sie ihn.« Der Marine sagte es leise.
»Lungenentzündung. Meine Güte.« Mellas stieß einen leisen Pfiff aus. »Und ihr habt ihn nicht rausgekriegt? Kapier ich nicht.«
»Ach was, echt? Das kapierst du nicht?« Der Lieutenant stieß den Toten sachte mit der Fußspitze an. »War ein echt guter Junge. Der Squid hat keine Ahnung. Wir wissen nur, dass er über vierzig Fieber gekriegt und zu schreien angefangen hat. Wir haben ihn komplett ausgezogen, um das Fieber zu unterdrücken. Hat nicht funktioniert. Als es bei vierzig war, hatten wir schon eine Notfallevakuierung angefordert. Der Doc hat’s für Grippe oder so was gehalten. Das Bataillon hat gesagt, es wär kein Notfall.« Er fing zu kichern an, verlor fast die Beherrschung. »Ich schätze mal, wir hatten recht.«
Er wandte sich an den Wütenden, der gerade die Zigarette fertigrauchte. »Wer ist jetzt dran?«
»Makis Trupp.«
»Okay. Lasst ihn hier liegen. Ich sage Maki, sie sollen ihn nehmen.«
Der Wütende trommelte seinen Trupp zusammen, und sie schlichen weiter den Pfad hinunter. Ein anderer Trupp kam, die Männer hängten sich die Gewehre hinter ihrem Marschgepäck auf den Rücken und hoben die beiden Stangen an. Von der schwankenden Leiche immer wieder aus dem Gleichgewicht gebracht, kämpften sie sich den Pfad hinunter.
»Danke für die Zigarette«, sagte der hochgewachsene Lieutenant zu Hamilton.
»Schon okay, Sir.«
Er drehte sich um und ging fort, gefolgt von seinem Funker. Mellas sah Hamilton an, der den beiden nachschaute, bis sie verschwunden waren. Müde Männer defilierten weiter an ihnen vorbei.
»Du meine Güte«, sagte Mellas.
»So ist das, Sir«, antwortete Hamilton.
Mellas Inneres war in Aufruhr. Ein leichter Wind schlängelte sich durch das Gras und ließ seine feuchte Kleidung kalt werden.
Kapitel 6
S ie waren noch nie draußen auf Randale, oder?« Fitch beäugte Mellas über den Rand seiner Pfirsichdose hinweg. Er saß im Schneidersitz auf einem Büschel feuchtem Moos. Randale war Funkcode für einen Hinterhalt.
»Aber klar«, erwiderte Mellas. »In Virginia haben wir mal nachts drei Kühe in einen Hinterhalt gelockt.«
»Verstehe.« Fitch lachte und löffelte sich noch einen Pfirsich in den Mund. »Davon habe ich gehört. Das war kurz vor unserem Examen.« Er schaufelte weiter Pfirsiche in sich hinein. »Big John Six meint, wir können ein paar Gooks in einen Hinterhalt locken, die heute Nacht vielleicht das Basislager ansteuern und nicht wissen, dass wir hier sind.«
»Das bezweifle ich«, sagte Mellas. Sie hatten das verlassene nordvietnamesische Basislager erst vor einer Stunde erreicht. Alle waren mit Schanzarbeiten beschäftigt. »Wir müssen uns anhören wie eine Herde Wasserbüffel beim Tanz auf der Tenne.«
Fitch schmunzelte und warf die Dose ins Gebüsch. »Haben Sie die Tigerspuren gesehen, als wir hier angekommen sind?«, fragte er.
»Das Biest hat wahrscheinlich den Scheiß beschnuppert, den die Charlie-Kompanie hat rumliegen lassen.«
Fitch lachte. »So wie die ausgesehen haben, glaube ich nicht, dass sehr viel für sie abgefallen ist.«
Mellas warf einen raschen Blick auf den Dschungel. Er war nicht in der Stimmung, über wilde Tiere zu reden. Ein Hinterhalt konnte in die Hose gehen, und sie würden sich weit außerhalb der eigenen Linien im Dunkeln bewegen.
Fitch zückte seine Karte und zeigte Mellas die mit einem Farbstift markierte Stelle, an der das Bataillon den Hinterhalt gelegt haben wollte. »Sie müssen das nicht selber machen. Bass oder Conman können einen guten Hinterhalt legen.« Er zog sein K-Bar aus der Scheide und begann, sich damit die Fingernägel zu reinigen.
Mellas wusste, dass das Angebot ein weiterer Test war. »Nein, ich geh schon. Hab ja sonst nichts zu tun.« Er begann, seine eigene Karte auseinanderzufalten, und hoffte, dass Fitch nicht sah, wie ihm die Hände zitterten.
Hawke kam auf sie zu. »Ich hab diesem Scheiß-Kendall aufs Dach steigen müssen, weil er seine Leute nicht dazu kriegt, Unterholz zu roden.« Hawke seufzte und hockte sich hin. »Habt ihr Kaffee?«
»Woher denn, du bist der XO , Jayhawk, Kaffee ist dein Job«, erwiderte
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