Matterhorn
Mellas den Handapparat umklammernd. Beide hatten nach wie vor ihr Ponchofutter um sich gewickelt.
»Hey, Mann«, sagte Jackson, »was ist los?«
»Du lieber Gott, Jackson, es ist Williams«, keuchte Cortell. »Ein Tiger hat ihn erwischt.«
»Und? Was ist mit ihm?«
»Das Vieh hat ihn gefressen, Mann! Hat ihn angesprungen und weggeschleppt und gefressen! Herr im Himmel, wir haben einfach dagelegen, und auf einmal schreit Williams, und ich hör, wie der Tiger ihn schlägt, auf den Hals oder so, und ihm dann den Kopf abreißt.« Mellas konnte Cortell beim Reden nicht sehen, aber Cortells Stimme vermittelte sein Grauen. »Du lieber Gott im Himmel.«
Jackson rückte näher heran, hielt Cortell fest und redete mit leiser Stimme auf ihn ein. »Hey, Mann, schon gut. Du kannst nichts tun. Hey, Mann, ganz ruhig, ja? Bleib cool.«
Mellas drückte den Sprechknopf. »Bravo, hier ist Bravo One. Unsere Absicherung ist von einem Tiger angegriffen worden. Wir glauben, dass er tot ist. Können nicht das Geringste sehen. Over.«
»Herrgott«, antwortete Fitchs Stimme. »Seht zu, dass ihr ihn findet. Vielleicht ist er nur verletzt. Over.«
»Ich hab doch gesagt, wir sehen hier draußen einen Scheißdreck. Ich kann nicht mal mein Funkgerät sehen, dabei benutze ich das verdammte Ding. Over.«
»Roger. Warten Sie, One.«
Mellas wartete. »Jackson, sagen sie allen, sie sollen sich nicht rühren und die Ohren offen halten. Holen Sie Parker und Broyer ran.«
»Wird gemacht, Sir.« Jackson legte das Funkgerät ab und kroch davon, wobei er sich an dem Kabel orientierte.
»Alles klar, Cortell?«, fragte Mellas in die Schwärze.
»Ja, Sir«, kam Cortells Stimme zurück. »Ich bin schon wieder okay. Mein Gott, Sir, ich hoffe, er ist nicht tot, aber ich hab ja seinen Kopf draufgehen hören. Hat ihn einfach abgerissen, Sir …«
Das Funkgerät gab ein kurzes Rauschen von sich. Fitchs Stimme kam aus dem Handapparat. »Wir können ein paar Leuchtgranaten abschießen. Vielleicht verscheuchen die das Vieh, und ihr könnt euren Mann finden. Over.«
»Hört sich gut an. Dann legt mal los. Over.«
»Roger. Out.«
Ihr Gespräch über Funk verlief routiniert wie immer, und es kam Mellas völlig fehl am Platz vor. Doch die Routine lief ab, selbst wenn ein Tiger angriff. Ohne die Atemgeräusche hätte Mellas nicht sicher sein können, dass überhaupt noch jemand in seiner Nähe war. »Tja«, flüsterte er ins Nichts, »jetzt können wir nichts tun als warten. Hat keinen Sinn, in alle Richtungen auseinanderzulaufen.«
Sie warteten fünf Minuten. Dann sagte Fitch über Funk: »Schuss.«
»Schuss. Out«, wiederholte Mellas. Gleich darauf hörten sie das seltsame Rauschen der Leuchtgranate. Südlich von ihnen ertönte hoch in der Luft das Ploppen, mit dem sich der winzige Fallschirm öffnete. Dann hörten sie das Zischen von brennendem Phosphor. In ein zitterndes, unheimliches Licht getaucht, traten Pfad und Dschungel deutlich hervor. Die Gesichter von Jackson und Cortell glänzten durch die sie bedeckende Schmutz- und Kohleschicht hindurch. Jackson streifte sich wieder die Trageriemen des Funkgeräts über, und Mellas stand auf.
»Gehen wir. Cortell, Sie vorneweg.«
Cortell ging mit schussbereitem Gewehr voran, Mellas unmittelbar hinter ihm, gefolgt von Jackson und dem Rest.
Sie kamen zu der Stelle, wo Cortell und Williams gelegen hatten. Der Boden war leicht niedergedrückt, und die Ponchofutter der beiden lagen noch da, genau wie Williams’ Gewehr. Das Gras zeigte einen dunklen Blutfleck.
Sie hörten eine weitere Leuchtgranate, die mit dem Rauschen einer kleinen Feuerwerksrakete unsichtbar in den Himmel aufstieg. Wieder wurde alles heller. Mit dem Niedersinken der Granate wechselten vage, diffuse Schatten ihre Position.
Sie stießen fast sofort auf Williams’ Buschhut. Er war feucht und mit Blut befleckt. Er war außerdem durchgerissen. Mellas fragte sich, ob Tiger ihre Beute verteidigten und wie weit sie sie wegschleppten, um sie aufzufressen. Sie suchten weiter, sahen hier und da Blutspuren. Sie feuerten ein paar Schüsse ab, um den Tiger zu verscheuchen. Sie hatten hundert Meter zurückgelegt, als sie auf Williams Leiche stießen. Seine Beine und sein Rücken waren aufgerissen und teilweise gefressen worden. Es sah so aus, als wäre er mit einem raschen Hieb gegen den Schädel getötet worden, der ihm das Genick gebrochen hatte. Sein Gesicht und seine Schläfen wiesen tiefe Wunden von langen, scharfen Zähnen auf.
Sie wickelten
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