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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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daran, was Mama Louisa ihm einmal in Four Corners erzählt hatte – dass die Seele manchmal noch drei, vier Tage blieb, bevor sie sich verabschiedete, weil sie sich an das Totsein erst gewöhnen musste.
    In der dritten Nacht robbte Cortell zu dem Toten und legte die Hände auf den Klumpen, der der Kopf war. »Williams, es tut mir leid. Ich hätt was anderes machen können als abhauen. Ich hab aber nicht gewusst, was. Ich hab so Schiss gehabt. Du weißt doch, wie viel Schiss man kriegen kann. Du und ich, wir haben so Schiss gehabt. Du weißt es. Es tut mir leid, Williams. Mein Gott, es tut mir so leid.« Cortell fing zu schluchzen an.
    Jackson im nächstgelegenen Schützenloch robbte über den Boden und zog Cortell sanft von der Leiche weg, scheuchte ihn leise in sein Schützenloch zurück, beruhigte ihn. Die Schluchzer waren zu deutlich zu hören und verrieten die Position des Lagers.
    Und am vierten Tag hatte das, was an der Stange festgebunden war, tatsächlich keine Seele mehr. Es stank.
    Spät am selben Nachmittag kam die Kompanie unvermittelt zum Stehen. Alle setzten sich in Schützenreihen auf den Boden und lehnten sich müde an ihr Marschgepäck. Die Männer tranken nach Plastik schmeckendes Wasser aus ihren Feldflaschen oder machten sich daran, Blutegel zu entfernen. Aus den Funkgesprächen ging bald hervor, dass sich Lieutenant Kendall wieder mal verirrt hatte.
    Mellas zückte seine Karte. Es gab nichts, woran man sich hätte orientieren können. Das Wenige, was der Dschungel nicht verbarg, verbargen die Wolken. Sorgfältig vergegenwärtigte sich Mellas das Gelände, das sie durchquert hatten, und berechnete ihre ungefähre Position. Schließlich hielt er es nicht mehr aus, legte sein Marschgepäck ab und ging zurück, an der Kolonne müder Marines entlang, um Hawke und Bass ausfindig zu machen.
    Hamilton stand nicht auf, um mitzugehen. Er machte die Augen zu und schlief ein.
    Hawke und Bass machten, als Mellas bei ihnen ankam, bereits Kaffee in dem alten Konservendosenbecher heiß, den Hawke außen an seinem Marschgepäck mit sich führte, um ihn rasch bei der Hand zu haben. Hawke, der neben dem brennenden C 4 auf vietnamesische Art auf den Fersen hockte, blickte auf. »Scheiße, haben Sie ein bisschen Nachsicht mit mir, Mellas.« Er wandte sich an Bass. »Ich glaube nicht, dass er den Kaffee von ganz vorn gerochen hat.«
    »Schon komisch«, sagte Bass. »Ich hab ihn noch nie selbst Kaffee machen sehen, aber er weiß immer, wenn jemand anders welchen macht.«
    Mellas lachte und setzte sich zu ihnen in den Morast. Er begann, seine Karte auseinanderzufalten. In diesem Augenblick kam eine von Rauschen verzerrte Stimme aus dem Handapparat des Funkgeräts, der in den Trageriemen von Skoshs Marschgepäck eingehakt war. Es war Kendall. »Nach meiner Schätzung, Bravo Six, sind wir – von Chevrolet aus – bei« – kurzes Schweigen – »eins Komma zwo hoch und drei Komma vier nach rechts. Over.«
    Fitchs knappe Stimme antwortete. »Verstanden.« Er hatte bereits einen Tag Verspätung, was das Erreichen des nächsten geografischen Kontrollpunkts anging, den Lieutenant Colonel Simpson ihm zugewiesen hatte.
    Mellas zog die Karte näher zu Bass und Hawke heran, damit sie sie sehen konnten. Der Funkcode des Tages verwendete Autonamen für Positionsmeldungen. Mellas fand die für Chevrolet festgelegten Koordinaten und bestimmte die von Kendall gemeldete Position. »Der spinnt. Dazu müssten wir jenseits dieses Kamms sein. Wir sind an diesem Flussbett, auch wenn wir’s nicht gesehen haben. Man spürt, wie das Gelände abfällt.«
    Hawke warf einen Blick auf die Karte, gab einen zustimmenden Laut von sich und bereitete seinen Kaffee fertig zu.
    Wieder erwachte das Funkgerät zum Leben, als jemand den Sprechknopf drückte. In der Stille des Dschungels konnten alle den Sprechenden deutlich atmen hören. »Das glaube ich nicht, Bravo Three.« Es war Fitch. »Ich sehe uns ungefähr einen Kilometer südlich von dort an der blauen Linie. Over.«
    Längeres Schweigen trat ein. Ein Irrtum konnte ihr eigenes Artilleriefeuer auf sie lenken. Schlimmer noch, er konnte stundenlanges zusätzliches Marschieren bedeuten.
    »So ein Knallkopf«, sagte Mellas.
    Hawke nahm einen Schluck Kaffee, reichte den Becher Bass, der einen kräftigen Schluck nahm und ihn an Mellas weitergab, der das Gleiche tat und ihn Skosh reichte. Der Kaffee rann herrlich heiß bis in Mellas’ Magen hinunter, wo er Wärme an seinen Körper abgab. Den Kaffee zu

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